Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
versuchen.«
»Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen alle diese Aufgaben aufbürde.«
»Das ist schon in Ordnung. Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich etwas zu tun habe. Dann habe ich weniger Zeit, mich in meiner Trauer zu suhlen.«
»Wenn Sie schon keine Besichtigungstour machen wollen, wie wäre es denn dann mit Abendessen? Wollen Sie Ihre Söhne am Flughafen abholen oder lieber hier auf sie warten?«
»Ich fahre zum Flughafen. Ich freue mich sehr darauf, sie zu sehen. Und was das Abendessen angeht: Kann ich Ihnen später noch Bescheid sagen?«
»Auf jeden Fall«, erwiderte Jennifer. »Ich rufe Sie heute Nachmittag an.«
Nach der Verabschiedung legte Jennifer auf und ging mit schnellen Schritten zum Empfangstresen. Jetzt, wo ihr Entschluss zu einer Besichtigungstour feststand, wollte sie auch aufbrechen. Leider hatte sich vor dem Tresen eine Schlange gebildet, und sie musste warten. Als sie dann an der Reihe war und an den Tresen trat, fiel ihr die Reaktion des Portiers auf. Er strahlte sie an, als ob er mit ihr schon ewig befreundet sei. Und das besonders Verwunderliche daran war, dass es nicht einmal derselbe Portier war, der ihr gestern den Stadtplan gegeben hatte.
»Ich brauche einen Rat«, sagte Jennifer und blickte in die dunklen Augen des Mannes. Anstatt sich auf den angemessenen Augenkontakt mit ihr einzulassen, schien er unentwegt über Jennifers Schulter hinweg ins Foyer zu blicken, bis sie sich schließlich ebenfalls umdrehte, um nachzusehen, ob dort irgendetwas Auffälliges war. Sie konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken.
»Was für einen Rat denn?«, sagte er, als er Jennifer endlich direkt anschaute.
»Ich möchte heute Morgen gerne etwas besichtigen«, sagte sie. Der Name des Mannes lautete Sumit. »Ich habe ungefähr zwei bis drei Stunden Zeit. Was können Sie mir denn empfehlen?«
»Haben Sie Alt-Delhi schon gesehen?«, erkundigte sich Sumit.
»Ich habe noch gar nichts gesehen.«
»Dann kann ich Ihnen auf jeden Fall das alte Delhi empfehlen«, sagte Sumit und griff nach einem Stadtplan. Mit geübtem Handgriff schlug er ihn auf und breitete ihn auf dem Tresen aus. Es war der gleiche Plan, den sie gestern schon bekommen hatte.
»Also, das hier ist das Gebiet von Alt-Delhi«, sagte Sumit und zeigte mit dem linken Zeigefinger darauf. Jennifer folgte seinem Finger, registrierte aber gleichzeitig aus dem Augenwinkel, dass Sumit die rechte Hand über dem Kopf schwenkte, als wollte er jemanden auf sich aufmerksam machen. Sie drehte sich um und warf einen Blick ins Foyer, um festzustellen, wem Sumit da zuwinkte, aber anscheinend gab es niemanden, der seine Geste erwiderte. Sie wandte sich wieder dem Portier zu, der einen leicht schuldbewussten Eindruck machte und wie ein kleines Kind, das gerade beim Griff in die Keksdose ertappt worden ist, die Hand sinken ließ.
»Tut mir leid«, sagte Sumit. »Ich habe nur einem alten Freund zugewinkt.«
»Ist schon in Ordnung«, antwortete Jennifer. »Was soll ich mir denn in Alt-Delhi anschauen?«
»Auf jeden Fall das Rote Fort«, sagte er und deutete mit dem Finger auf die entsprechende Stelle des Stadtplans. Er griff nach ihrem Reiseführer und schlug ihn auf. »Das ist, nach dem Taj Mahal in Agra, wahrscheinlich die interessanteste Sehenswürdigkeit in ganz Indien. Mir persönlich gefällt vor allem die Diwan-i-Aam, die öffentliche Audienzhalle.«
»Das klingt vielversprechend«, sagte Jennifer und stellte fest, dass der Mann überhaupt nicht mehr abgelenkt zu sein schien.
»Guten Morgen, Miss Hernandez«, sagte der zweite Portier, als er mit dem einen Gast fertig war und auf den nächsten wartete. Das war der, von dem sie gestern den Stadtplan bekommen hatte.
»Ebenfalls einen guten Morgen«, gab Jennifer zurück.
»Miss Hernandez will Alt-Delhi besichtigen«, sagte Sumit zu Lakshay.
»Das wird Ihnen gefallen«, meinte Lakshay und gab dem nächsten Hotelgast ein Zeichen, näher zu treten.
»Und nach dem Roten Fort?«, wollte Jennifer wissen.
»Da empfehle ich einen Besuch der Jama-Masjid-Moschee, erbaut von demselben Mughal-Kaiser wie das Rote Fort. Sie ist die größte Moschee Indiens.«
»Und diese Gegend hier ganz in der Nähe der beiden Sehenswürdigkeiten, ist das ein Basar?«, erkundigte sich Jennifer.
»Nicht nur ein Basar, sondern der Basar schlechthin. Ein wundervolles Labyrinth aus schmalen Gassen, die Galis heißen, und den noch schmaleren sogenannten Katras, wo Sie praktisch alles kaufen können, was Sie sich
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