Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
landestypischen Kleidung trug Rajish Bhurgava, der rundliche, leicht übergewichtige Klinikdirektor, ein Cowboy-Outfit, bestehend aus einer schlecht sitzenden Jeans und einem karierten Flanellhemd mit Druckknöpfen. Die Beine übereinandergeschlagen, so hatte er seine Cowboy-Stiefel auf die Tischecke gelegt.
»Ich habe mitbekommen, dass Sie keine Genehmigung für die Verbrennung oder Einbalsamierung bekommen haben, und das war ja das Hauptziel dieses Anrufs. Das ist sehr bedauerlich.«
»Ich habe mein Bestes versucht«, rechtfertigte sich Kashmira. »Aber die Enkelin ist eindeutig hartnäckiger als der Sohn. Vielleicht hätten wir sie einfach verbrennen sollen, ohne sie zu fragen.«
»Ich glaube, das Risiko wäre zu groß gewesen. Ramesh Srivastava hat schließlich angeordnet, dass dieser Fall von der Bildfläche verschwinden soll. Er hat ausdrücklich betont, dass er keine zusätzliche Medienaufmerksamkeit mehr wünscht. Falls die Enkeltochter tatsächlich so starrsinnig ist, wie Sie vermuten, dann hätte eine ungenehmigte Einäscherung womöglich einen Riesenaufstand zur Folge gehabt.«
»Bei Ihrem Anruf vorhin haben Sie den Namen Ramesh Srivastava schon einmal erwähnt. Wer ist denn das? Ich habe noch nie von ihm gehört.«
»Tut mir leid. Ich dachte, Sie wüssten Bescheid. Das ist ein sehr hoher Beamter, der Leiter der Behörde für medizinischen Tourismus innerhalb des Gesundheitsministeriums.«
»Hat er Sie auch über den Todesfall informiert?«
»Das hat er in der Tat. Für mich war das ein richtiger Schock. Ich bin ihm zwar noch nie persönlich begegnet, aber er ist ein wichtiger Mann. Seine Ernennung zeigt, welche Bedeutung die Regierung dem medizinischen Tourismus mittlerweile beimisst.«
»Wie kommt es, dass er noch vor uns von dem Todesfall erfahren hat?«
»Das ist eine gute Frage. Einer seiner Mitarbeiter hat die Meldung auf CNN gesehen und ihr angesichts der möglichen Auswirkungen auf die PR-Kampagne, die vom Tourismusministerium und der Indian Healthcare Federation mitfinanziert wird, eine solche Bedeutung beigemessen, dass er Srivastava trotz der späten Stunde noch benachrichtigt hat. Besonders beeindruckend finde ich, dass Srivastava mich danach sofort persönlich verständigt hat, anstatt das einem seiner Untergebenen zu überlassen. Das zeigt, wie ernst er diesen Vorfall nimmt. Deshalb will er auch, dass die Angelegenheit aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwindet, und deshalb soll natürlich auch der Leichnam so schnell wie möglich verschwinden. Immerhin will er selbst dafür Sorge tragen, dass der Totenschein unverzüglich unterzeichnet wird, und diese Zusage hat er eingehalten. Außerdem hat er angeordnet, dass die Klinikmitarbeiter unter gar keinen Umständen mit den Medien sprechen dürfen. In der CNN-Meldung sei andeutungsweise von einer offiziellen Untersuchung die Rede gewesen, aber er will eine solche Untersuchung unter allen Umständen vermeiden.«
»Das habe ich verstanden, ganz eindeutig.«
»Also dann«, sagte Rajish, ließ die Füße auf den Boden fallen und schlug mit der flachen Hand bekräftigend auf die Tischplatte. »Machen wir die Leiche fertig, damit sie so schnell wie möglich verbrannt oder einbalsamiert werden kann, und dann nichts wie weg mit ihr.«
Kashmira schob ihren Stuhl zurück. Die Stuhlbeine kreischten in schrillem Protest über den Fußboden. »Ich fange sofort an und organisiere die Reise für Ms Hernandez. Wollen Sie heute Abend noch einmal mit Sahib Srivastava sprechen?«
»Er hat mich darum gebeten, ihn zu Hause anzurufen und ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Das heißt also: Ja, ich rufe ihn an.«
»Bitte erwähnen Sie dabei, dass wir unter Umständen seine Hilfe bei der Beschaffung eines Sondervisums für Notfälle benötigen.«
»Wird gemacht«, erwiderte Rajish und machte sich rasch eine Notiz. Er sah Kashmira nach. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Telefon zu, holte den kleinen Zettel mit der Telefonnummer von Staatssekretär Srivastava hervor und rief ihn an. Es machte ihn stolz, dass er einen solch hochrangigen Vertreter der Gesundheitsbürokratie anrufen durfte, und das auch noch zu einer solch ungewöhnlichen Zeit.
Vermutlich hatte Ramesh Srivastava neben dem Telefon gesessen und auf den Anruf gewartet, denn er meldete sich beim ersten Klingeln und vergeudete keine Zeit mit Smalltalk. Er erkundigte sich, ob der Leichnam, wie verlangt, beseitigt worden sei. »Nicht ganz«, musste Rajish eingestehen. Dann
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