Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
verlieren. Das Queen Victoria Hospital benahm sich zwar immer noch alles andere als taktvoll, schien sich aber von der Schikane aufs Bitten verlegt zu haben. »Ich gehe jetzt zurück ins Hotel«, stieß sie hervor. »Ich muss mich dringend ausruhen.«
»Ja, gönnen Sie sich einen langen Schlaf«, sagte Kashmira. Sie stand auf und neigte über zusammengelegten Handflächen den Kopf.
Jennifer stolperte hinaus in das Durcheinander des Foyers, wo ein Dutzend weiterer Patienten darauf wartete, aufgenommen zu werden. Sie stellte sich an die gläserne Wand und suchte den kleinen Klinikparkplatz nach ihrem Fahrer und dessen Wagen ab. Als sie ihn nicht entdecken konnte, zog sie ihr Handy hervor und wählte seine Nummer.
Kapitel 15
Mittwoch, 17. Oktober 2007
14.55 Uhr
Neu-Delhi, Indien
K ashmira hatte Jennifer hinterhergesehen. Noch nie zuvor hatte sie sich über eine Angehörige so dermaßen geärgert. Als sie die Frau nach Indien eingeladen hatte, war sie eigentlich davon ausgegangen, dass das Problem mit Maria Hernandez’ Leichnam so gut wie gelöst war. Doch jetzt, wo nicht nur einer, sondern gleich zwei Gerichtsmediziner hierher unterwegs waren, hatte die ganze Angelegenheit eine völlig neue Dimension erreicht. Kashmira wusste, dass Direktor Rajish Bhurgava darauf nicht gerade erfreut reagieren würde.
Sobald Jennifer im Freien war, ging Kashmira den Flur entlang zu Rajishs Eckbüro.
»Ist er zu sprechen?«, fragte Kashmira Rajishs persönliche Sekretärin.
»Ich glaube schon«, erwiderte die Assistentin, »aber er hat schlechte Laune.« Sie kündigte Kashmira über die Sprechanlage an und winkte sie hinein, während schon wieder das Telefon klingelte.
Wenn er nicht gerade telefonierte, las Rajish sich einen Stapel mit Briefen durch und unterzeichnete mit hastigem Gekritzel. Im Gegensatz zu dem lässigen Cowboy-Outfit, das er trug, wenn er nachts in die Klinik gerufen wurde, war er jetzt mit einem Designer-Anzug, einem weißen Hemd und einer Gucci-Krawatte bekleidet.
»Ist sie heute Nachmittag schon da gewesen?«, wollte Rajish wissen, während Kashmira seine Bürotür ins Schloss zog und vor seinen Schreibtisch trat. Sie hatte ihm um die Mittagszeit erzählt, wie uneinsichtig und starrsinnig Jennifer sich aufführte, war sich aber ziemlich sicher gewesen, dass diese nach ein paar Stunden Schlaf mehr Vernunft an den Tag legen würde. Außerdem hatte sie erwähnt, dass Jennifer kurz von einer Obduktion gesprochen hatte. Rajish erwiderte gereizt, dass eine Obduktion unter gar keinen Umständen zur Debatte stand. Sonst wurden womöglich irgendwelche Befunde entdeckt, die eigentlich schon vor der Operation hätten erkannt werden müssen. Zu guter Letzt musste er dann auch noch erfahren, dass Jennifer den Namen Benfatti ins Spiel gebracht hatte. Auch Kashmira hatte keine Ahnung, wie Jennifer davon erfahren hatte. Alles in allem war Rajish nicht unbedingt ein Verehrer von Jennifer Hernandez.
»Sie ist gerade eben wieder gegangen«, erwiderte Kashmira und nickte als Antwort auf Rajishs Frage.
»Und?«, fragte der Klinikdirektor schnippisch. Nach zwei Toten an zwei aufeinanderfolgenden Abenden war er sehr schlechter Laune. Auch gestern Abend hatte der mächtige Ramesh Srivastava sich als Erster bei ihm gemeldet und ihn darüber informiert, dass CNN International über einen weiteren Todesfall in seinem Krankenhaus berichtet hatte. Der hochrangige Beamte hatte zwar keine direkten Drohungen gegen Rajish formuliert, doch auch die indirekte Schuldzuweisung war eindeutig gewesen und verhieß nichts Gutes.
»Ich fürchte, es wird noch schlimmer. Jetzt sagt sie, dass sie mit ihrer Entscheidung bis Freitag warten will. Anscheinend war die Tote früher einmal das Kindermädchen einer heutigen Kriminalpathologin, die morgen Abend hier eintreffen soll.«
Rajish hieb sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und massierte mit Daumen und Zeigefinger seine Schläfen. »Das kann doch nicht wahr sein«, stöhnte er.
»Das ist noch nicht einmal alles. Diese Frau bringt auch noch ihren Ehemann mit, der ebenfalls Gerichtsmediziner ist.«
Rajish spürte eine leichte Panikattacke, ließ die Hand sinken und starrte Kashmira an. »Dann bekommen wir es also mit zwei amerikanischen Spezialisten für Kriminaltechnik zu tun?«
»So scheint es.«
»Haben Sie Ms Hernandez gegenüber unmissverständlich deutlich gemacht, dass es keine Obduktion geben wird?«
»Das habe ich, sowohl heute Morgen als auch heute Nachmittag. Ich
Weitere Kostenlose Bücher