Montgomery & Stapleton 10 - Testphase
Laurie. »Normalerweise übergeben wir solche Post dem Empfang, der den Sicherheitsdienst verständigt, und damit ist die Sache erledigt. Meist sind diese Leute getrieben von ihrer Trauer, und sie sind wütend, häufig können sie mit dem Verlust eines Familienmitgliedes nicht fertig werden und möchten einfach jemandem die Schuld geben. Früher war ich beunruhigt, wenn ich eine Drohung erhielt, aber man gewöhnt sich an alles. Keine große Sache.«
Die Aufzugtür öffnete sich, und sie stiegen aus. Jack legte eine Hand auf Lauries Schulter und sagte bemüht gefasst: »Ich habe dir keinen Drohbrief geschrieben! So etwas würde ich nie tun!«
Laurie legte den Kopf zur Seite. »Du hast mir keinen Brief geschrieben und mir gedroht, dass ich mit den Ermittlungen in meinem ersten Fall aufhören sollte?«
»Ehrenwort. Wenn das nicht die Wahrheit ist, will ich tot umfallen.«
»Ganz sicher?«, fragte Laurie. »Ich meine, klingt das nicht ganz nach deiner Variante von schwarzem Humor? Und immerhin war es dir sehr ernst damit, dass ich mit meinem Fall abschließen sollte.«
»Mag sein, dass einige Ansätze davon den Verdacht auf mich lenken könnten, aber ich schwöre dir, dass ich dir so etwas niemals antun würde.«
»Was stand in dem Brief?«, wollte Lou wissen.
»Ich kann mich nicht genau daran erinnern, aber er war kurz und prägnant. Irgendetwas in der Art, dass es Konsequenzen für mich hätte, wenn ich nicht aufhören würde, weiter an dem Fall zu arbeiten. Und dieselben Konsequenzen würden eintreten, wenn ich zur Polizei gehen würde. Das Ganze war so überzogen melodramatisch. Alle anderen Briefe, die ich schon erhalten habe, waren nur ellenlanges Geschimpfe. Dieser Brief schien in seiner Kürze ein Witz zu sein. Marlene hatte ihn gefunden, nachdem ihn jemand unter der Eingangstür durchgeschoben hatte, und ihn auf meine Tastatur gelegt.«
»Ich würde diesen Brief gerne einmal sehen«, sagte Lou ernst.
»Ja, gut«, erwiderte Laurie mit gespielter Gleichgültigkeit. Sie konnte nicht anders, aber sie fühlte sich gerade um den Augenblick ihres Triumphes betrogen, obschon sie sich wegen dieses Gefühls ein wenig schuldig fühlte. »Lasst uns zuerst den guten Mann treffen, der meinen ersten Fall identifiziert hat. Danach gehen wir in mein Büro und schauen uns den Brief an.«
33
26. März 2010
Freitag, 17.08 Uhr
»Vielleicht sollte ich doch lieber gehen«, sagte Ben, schob seinen Stuhl zurück, stand auf und streckte sich. Obwohl er erst wenige Minuten auf die Gerichtsmedizinerin wartete, hatte er seine Entscheidung bereits bereut, für weitere Fragen zur Verfügung zu stehen. Ihm war eingefallen, dass er sich zwar einerseits kooperativ zeigen wollte, andererseits könnte es sein, dass es nicht in seinem Interesse war, Fragen zu beantworten, ohne vorher mit seinem Anwalt gesprochen zu haben. Er wusste nicht, ob Satoshis Tod in Zusammenhang mit den sechs Morden in New Jersey stand, aber die Wahrscheinlichkeit war groß. Da er nicht nur die sechs Toten entdeckt, sondern auch Satoshi identifiziert hatte, steckte er bereits mittendrin, komme, was da wolle. Da war es sicher am besten, keine weiteren Erklärungen abzugeben und stattdessen zu schweigen. Ben war sicher, dass jeder Anwalt ihm genau das sagen würde.
Rebecca stand von ihrem Stuhl auf. »Wo nur Dr. Montgomery-Stapleton bleibt? Sie sagte, sie würde sofort herunterkommen. Lassen Sie mich mal sehen.« Sie öffnete die Tür, und sogleich fiel ihr Blick auf Laurie, die quer durch die Eingangshalle auf sie zulief. Hinter ihr gingen eilig Dr. Jack Stapleton und ein anderer Mann, den sie nicht erkannte.
»Da ist sie schon«, sagte Rebecca und öffnete die Tür ein Stück mehr.
Laurie schien ein wenig geknickt, als sie das Zimmer betrat. Die Geschichte mit dem Drohbrief setzte ihr noch immer zu, aber sie verscheuchte sie schnell aus ihren Gedanken, als sie Ben vorgestellt wurde.
Ben war sofort von ihrer Attraktivität und ihrem Lächeln eingenommen. Für einen kurzen Moment vergaß er komplett seine Entscheidung, nicht mehr mit den Behörden sprechen zu wollen. Was sich sofort änderte, als er Detective Captain Lou Soldano vorgestellt wurde. Dass er Dr. Jack Stapleton kennenlernte, hatte überhaupt keine Wirkung auf ihn, nicht einmal, dass er und Laurie sich einen Nachnamen teilten. Ben war überaus beunruhigt darüber, noch einen Detective zu treffen. Seine Paranoia steigerte sich ins Unermessliche.
»Zuerst möchte ich Ihnen aufrichtig dafür
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