Montgomery u Stapleton 01 - Blind
haben?" fragte Laurie.
Wenn Jordan den leichten Spott in ihrer Stimme bemerkt hatte, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. "Das genau ist es", sagte er, sofort auf den Themenwechsel eingehend. "Ich kann es kaum erwarten, bis das zweite Auge operiert ist und ich nichts mehr von ihm sehe."
"Wann ist es denn soweit?"
"In etwa einer Woche. Ich möchte nur sicher sein, daß mit dem ersten Auge alles glattgeht. Mich schaudert jedesmal, wenn ich denke, daß Komplikationen auftreten könnten. Nicht, daß ich damit rechne, es lief alles ausgezeichnet. Aber er hat sich geweigert, die Nacht im Krankenhaus zu bleiben, und deshalb kann ich nicht hundertprozentig sicher sein, daß er die Medikamente bekommt, die er braucht."
"Wenn nicht, wäre das doch nicht Ihr Fehler", meinte Laurie.
"Ich weiß nicht, ob Cerino das auch so sehen würde", sagte Jordan.
Nach dem Nachtisch und dem Kaffee erklärte sich Laurie einverstanden, noch Jordans Wohnung im Trump Tower anzusehen. Als sie durch die Tür trat, blieb sie beeindruckt stehen. Vor ihr, fast auf der gleichen Höhe wie Jordans Wohnung, lag die beleuchtete Spitze des Crown Building. Laurie ging ins Wohnzimmer und konnte nach Süden die Fifth Avenue hinunter bis zum Empire State Building und dem World Trade Center dahinter sehen. Beim Blick nach Norden konnte sie ein Stück vom Central Park mit seinem voll beleuchteten Wegelabyrinth erkennen.
"Es ist hinreißend", staunte Laurie. Der Blick auf die Skyline von New York faszinierte sie. Während ihre Augen noch den Horizont absuchten, spürte sie, daß Jordan direkt hinter sie getreten war.
"Laurie", sagte er leise.
Laurie drehte sich um und fand sich im gleichen Augenblick von Jordans kräftigen Armen umschlungen. Sein kantiges Gesicht wurde von Lichtreflexen erleuchtet, die von der goldenen Spitze des Crown Building durch die Fenster fielen. Die Lippen leicht geöffnet, beugte er sich vor, um sie zu küssen.
"He", rief sie und machte sich frei. "Wie wärs mit einem Drink nach dem Essen?"
"Ihr Wunsch ist mir Befehl", sagte Jordan mit einem reumütigen Lächeln.
Laurie war selbst etwas überrascht über sich. Sicher war sie nicht so naiv, anzunehmen, daß mit einer solchen Reaktion Jordans nicht zu rechnen gewesen wäre. Schließlich war sie mehrere Abende mit dem Mann ausgegangen, und sie fand ihn auch attraktiv. Doch aus irgendeinem Grund fing sie an, einige Dinge ernstlich anders zu sehen.
"Und?" murmelte Tony, als Angelo vom Telefon neben der Toilette zum Tisch zurückkam. Er hatte sich gerade eine gewaltige Portion Tortellini con panna in den Mund gestopft. Mit der Serviette wischte er sich nun den Rand aus Sahne und Käse vom Mund.
Sie saßen in einem kleinen, rund um die Uhr geöffneten Restaurant in Astoria. Es war Tonys Idee gewesen, hier einzukehren, aber Angelo hatte nichts dagegen gehabt, da er Cerino ohnehin anrufen mußte.
"Und?" wiederholte Tony, nachdem er die Tortellini heruntergeschluckt hatte. Er spülte mit Mineralwasser nach.
"Er möchte, daß wir heute nacht wieder losgehen", sagte Angelo.
"Toll!" Tony war wie immer begeistert.
"Mir stinkt es, daß Cerino uns losschickt", schimpfte Angelo.
"Ich dachte, wir wären mit diesem ganzen Scheiß endlich fertig."
"Jedenfalls stimmt die Kasse", sagte Tony. "Was sollen wir machen?"
"Wir sollen uns die Angebotsseite vornehmen", erklärte Angelo. "Wir dürften mit der Nachfrageseite inzwischen fertig sein, was mir sehr recht ist. Denn da ging es los mit den Schwierigkeiten."
"Wann fangen wir an?"
"Sobald du deinen Arsch ins Auto kriegst."
Eine Viertelstunde später, als sie zur Queensboro Bridge kamen, sagte Angelo: "Da ist noch was, was mich bei dieser Sache stört. Mir gefällt die Zeit nicht. Samstagabend ist keine gute Zeit. Wir müssen damit rechnen, daß nicht alles nach Plan abläuft, und flexibel reagieren."
"Warum rufen wir nicht einfach an?" fragte Tony. "Dann wissen wir, ob die Luft rein ist, bevor wir was unternehmen."
Angelo blickte kurz zu Tony hinüber. Manchmal überraschte der Junge ihn. Er konnte ganz schön clever sein.
13
Sonntag, 9.15 Uhr
Manhattan
Vornübergebeugt und bemüht, den Schirm gegen den Wind zu stemmen, kämpfte Laurie sich die First Avenue hinauf. Es war kaum zu glauben, wie sehr das Wetter im Verlauf eines einzigen Tages umschlagen konnte. Es war nicht nur stürmisch und regnerisch, die Temperatur war in der Nacht auch bis knapp über den Gefrierpunkt gefallen. Laurie hatte deshalb ihren
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