Montgomery u Stapleton 01 - Blind
in seiner Wohnung gefunden worden. Dann ging sie in den Umkleideraum und zog sich um. Sie war völlig entmutigt. Zwei junge Liebende, die ihr Leben so sinnlos verloren hatten es war besonders tragisch. Sie bedauerte erneut Binghams Entscheidung, die Öffentlichkeit nicht vor der möglicherweise verunreinigten Droge zu warnen. Hätte er es getan, würden diese beiden Menschen vielleicht noch leben.
Mit plötzlicher Entschlossenheit entschied Laurie, Bingham anzurufen. Wenn diese Tragödie ŕ la Romeo und Julia ihm nicht die Augen dafür öffnete, daß sie womöglich vor einer schweren Krise im öffentlichen Gesundheitswesen standen, dann half nichts mehr.
Oben in ihrem Büro suchte sie Binghams Privatnummer im internen Anschriftenverzeichnis. Sie holte tief Luft und wählte die Nummer.
Bingham kam selbst an den Apparat. "Es ist Sonntagmorgen", sagte er knapp, als er hörte, wer am anderen Ende der Leitung war.
Laurie berichtete ihm sofort von den beiden neuen Überdosisfällen. Als sie fertig war, herrschte zunächst Schweigen. Dann sagte Bingham scharf: "Ich kann nicht erkennen, warum Sie sich gezwungen fühlen, mich deshalb an einem Sonntag anzurufen."
"Wenn wir eine Erklärung abgegeben hätten, könnte dieses Paar heute noch leben", sagte Laurie. "Ihnen können wir nicht mehr helfen, aber vielleicht anderen. Mit diesen beiden Fällen habe ich jetzt sechzehn in meiner Serie."
"Montgomery, ich bin nicht einmal überzeugt, daß Sie wirklich eine Serie haben. Hören Sie also auf, mit dem Begriff um sich zu werfen, als wäre es eine feststehende Tatsache. Vielleicht haben Sie eine Serie, vielleicht auch nicht. Ich schätze Ihre guten Absichten, aber haben Sie irgendeinen Beweis? Hat das Labor eine Verunreinigung entdeckt?"
"Noch nicht", räumte Laurie ein.
"Dann ist dieses Gespräch, was mich betrifft, nur ein Aufguß desjenigen, das wir kürzlich hatten."
"Aber ich bin überzeugt, wir können Leben retten "
"Ich weiß, daß Sie das sind", fiel Bingham ihr ins Wort. "Aber ich bin davon überzeugt, daß es nicht im Interesse des Instituts und der Stadt insgesamt ist, etwas zu unternehmen. Die Medien werden Namen wissen wollen, und wir sind nicht in der Lage, Namen zu nennen, nicht bei dem Druck, unter dem wir gegenwärtig stehen. Und es geht nicht nur um Duncan Andrews Familie, die diese Fälle gern aus den Schlagzeilen hätte. Aber ich treffe in dieser Woche den Chef des Gesundheitswesens der Stadt. Und um Ihnen nicht Unrecht zu tun, werde ich den Fall mit ihm besprechen; dann kann er entscheiden."
"Aber Dr. Bingham ", wandte Laurie ein.
"Das reicht, Laurie. Guten Tag!"
Laurie betrachtete das Telefon. Bingham hatte einfach aufgelegt. Voller Wut knallte sie den Hörer auf die Gabel. Daß er das Problem dem Chef des Gesundheitsamtes vortragen würde, war kein Trost für sie. Wie sie die Sache sah, bedeutete das nur, das Problem von einer politischen Bühne auf eine andere zu schieben. Sie hatte außerdem das Gefühl, daß Bingham dem eigentlichen Grund, weshalb er die Sache unter Verschluß halten wollte, sehr nahe gekommen war, als er Duncan Andrews erwähnte. Bingham hatte wegen der politischen Verflechtungen Angst, mit einem Namen aus der Politik an die Öffentlichkeit zu gehen.
Laurie beschloß, Jordan anzurufen. Da er nicht im Dienst der Stadt stand und keiner interessierten Gruppe verpflichtet war, konnte er sich vielleicht an die Öffentlichkeit wenden. Sie war sich nicht sicher, ob sie es schaffen würde, ihn zu überzeugen, doch sie beschloß, es zu versuchen. Jordan nahm nach dem zweiten Klingeln ab, klang aber außer Atem, als er sich meldete.
"Ich sitze auf dem Heimtrainer", erklärte er. "Schön, so bald von Ihnen zu hören. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Abend. Ich jedenfalls habe ihn genossen."
"Es war reizend", sagte Laurie. "Noch einmal vielen Dank."
Sie war erleichtert gewesen, als Jordan sie nach dem kurzen, abgebrochenen Kußversuch nicht weiter bedrängt hatte.
Sie erklärte Jordan den neuesten Stand ihrer Überdosisserie. Zu ihrer Freude klang er ehrlich entrüstet.
"Jetzt habe ich eine Frage an Sie", sagte Laurie, "und die Bitte um einen Gefallen. Mein Chef ist nicht bereit, in dieser Sache eine öffentliche Erklärung abzugeben. Ich halte eine solche Erklärung aber für notwendig, weil ich überzeugt bin, daß sie Leben retten wird. Kennen Sie irgendeinen anderen Weg, die Information an die Öffentlichkeit zu bringen, und wären Sie bereit, das zu
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