Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Kühlkammern hängen. "Packen wir ihn in einen von den Kühlschränken", schlug er vor.
Rasch überprüften sie die Kühlkammern auf der Suche nach einer leeren. In allen war das erste, was sie sahen, ein Paar nackte Füße mit einem am großen Zeh befestigten Etikett.
"Schrecklich", sagte Angelo.
"Hier ist eine leere", rief Tony. Er zog den Einsatz heraus.
Sie gingen zu dem schlaffen Körper zurück. Tony stellte fest, daß der Mann noch lebte und beim Atmen eigenartige Laute von sich gab. "Soll ich ihm noch eins verpassen?" fragte er.
"Nein!" fuhr Angelo ihn an. Er wollte keine weitere Schießerei. "Das ist nicht nötig. Der wird im Kühlschrank nicht viel Krach machen."
Gemeinsam schleppten sie den Körper zu der offenen Kühlkammer und hoben ihn auf den Einsatz.
"Ruhe sanft", sagte Tony, schob den Einsatz in die Wand und schloß die Tür.
"Und jetzt steck deine verdammte Knarre weg!" befahl Angelo.
"Schon gut." Tony steckte die Bantam ins Schulterhalfter. Da der Schalldämpfer aufgesetzt war, schaute der Griff am Revers aus der Jacke heraus.
"Gehn wir in den dritten Stock", sagte Angelo nervös. "Das sieht nicht gut aus. Wir müssen die Frau schnappen und abhauen. Hier ist der Teufel los, wenn jemand die Leichen entdeckt."
Tony griff seine Arzttasche und lief hinter Angelo her, der schon auf dem Weg zur Treppe war. Angelo wollte nicht das Risiko eingehen, jemandem im Aufzug zu begegnen.
Als sie im dritten Stock ankamen, sahen sie, daß nur in einem Zimmer Licht brannte. In der Annahme, daß dies das toxikologische Labor sein mußte, begaben sie sich direkt dorthin. Sie traten behutsam ein, trafen aber nur Peter an, der irgendwelche Instrumente reinigte.
"Entschuldigen Sie", sagte Angelo, "wir suchen Dr. Laurie Montgomery."
Peter drehte sich um. "Sie haben sie knapp verfehlt", sagte er.
"Sie ist gerade nach unten ins Leichenschauhaus gegangen, um im Kühlraum nach einer Leiche zu sehen."
"Danke", sagte Angelo.
"Keine Ursache", antwortete Peter.
Angelo packte Tony am Arm und führte in rasch hinaus auf den Gang. "Nett von dir, daß du ihn nicht abgeknallt hast", bemerkte er sarkastisch.
Die beiden gingen denselben Weg zurück ins Leichenschauhaus.
Nachdem Laurie im Büro des Leichenschauhauses und im großen Sektionssaal nachgesehen hatte, gab sie es auf, Bruce zu suchen. Er machte wahrscheinlich eine Pause. Sie hatte ihn um Hilfe bitten wollen, beschloß jedoch, allein im Kühlraum nach der Haberlin-Leiche zu suchen.
Sie streifte sich Gummihandschuhe über, bevor sie den Kühlraum betrat. Mühsam zog sie die Tür auf, griff um die Ecke und schaltete das Licht an.
Der Kühlraum sah im wesentlichen so aus wie damals, als sie nach Julia Myerholtz Leiche gesucht hatte. Die meisten Leichen in den Regalen waren seit ihrem letzten Besuch nicht bewegt worden. Die auf den Rollbahren waren neu. Es schienen mehr zu sein als beim letztenmal. Sie wollte methodisch vorgehen und begann bei den Leichen in Türnähe. Wie üblich hatten alle ein Identitätsetikett. Laurie brauchte nur die Laken anzuheben, die die Füße bedeckten, und den Namen zu lesen. Wenn sie mit einer Rollbahre fertig war, schob sie sie zur Seite, damit sie weiter in den Kühlraum vordringen konnte.
Nachdem sie etwa ein Dutzend Leichen überprüft hatte, entdeckte sie schließlich im hinteren Teil des Kühlraums das Etikett mit dem Namen Stephanie Haberlin. Es wurde auch Zeit; Laurie fröstelte bereits. Sie deckte die Füße wieder zu und drehte die Rollbahre herum, um an das Kopfende zu kommen. Dann zog sie das Laken zurück.
Sie zuckte unmerklich zusammen. Der bleiche Leichnam eines jungen Menschen war immer ein beklemmender Anblick. Egal wie lange sie bei der Gerichtsmedizin bleiben würde, an diese Seite ihres Berufs würde sie sich wohl nie gewöhnen. Widerstrebend legte sie Daumen und Zeigefinger an Stephanies Augenlider.
Einen Moment zögerte sie und fragte sich, was ihr eigentlich lieber war: recht oder unrecht zu haben. Sie atmete tief durch und hob die Lider an.
Sie zuckte ein zweites Mal zusammen. Sie spürte sogar eine kurze Schwäche in den Beinen. Ihr Verdacht hatte sich bestätigt. Sie hatte richtig vermutet. Ein Zufall war ausgeschlossen. Die Tote hatte keine Augen mehr!
"Dieses entsetzliche Ungeheuer!" stieß Laurie zwischen klappernden Zähnen hervor. Wie konnte ein Mensch ein so abscheuliches Verbrechen begehen? Es war ein wahrhaft teuflischer Plan.
Das laute Einschnappen des Türschlosses riß Laurie aus
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