Montgomery u Stapleton 01 - Blind
wieder. "Danke." Sie widmete sich wieder ihrer Arbeit.
"Interessanter Fall?" fragte Lou.
"Sehr interessant", erwiderte Laurie. "War angeblich ein Selbstmord, aber ich glaube mehr und mehr, daß er in Ihre Zuständigkeit fällt."
Lou sah ein paar Minuten zu und schüttelte sich. "Ich glaube, ich werde mich nie an Ihre Arbeit gewöhnen."
"Wenigstens arbeite ich wieder", sagte Laurie.
"Von Rechts wegen hätte man Sie überhaupt nicht entlassen dürfen. Glücklicherweise wendet sich am Ende oft doch noch alles zum Guten."
Laurie blickte kurz auf. "Ich glaube, die Angehörigen der Opfer sehen das anders."
"Stimmt auch wieder", räumte Lou ein. "Ich meinte nur, was Ihre Arbeit betrifft."
"Bingham hat sich schließlich doch ganz anständig verhalten. Nicht nur, daß er mich wieder eingestellt hat, er hat auch zugegeben, daß ich recht hatte. Jedenfalls teilweise. Ich hatte unrecht, was die Verunreinigung anging."
"Aber in dem, worauf es ankam, hatten Sie recht. Es waren keine Unfälle, sondern Morde. Und Sie haben ja noch mehr getan. Das ist auch der Grund, weshalb ich vorbeikomme. Wir haben jetzt eine hieb-und stichfeste Anklage gegen Cerino zusammen."
Laurie richtete sich auf. "Gratuliere!"
"Nein, nein, das war nicht mein Werk", wehrte Lou ab. "Das ist Ihr Verdienst. Erst haben Sie nachgewiesen, daß die Haut unter Julia Myerholtz Fingernagel von Tony Ruggerio stammte. Das war entscheidend. Dann haben Sie mehrere Leichen exhumieren lassen und festgestellt, daß eine Übereinstimmung des Gebisses von Kendall Fletcher mit den Zahnabdrücken auf Angelo Facciolos Unterarm bestand."
"Das hätte jeder Gerichtspathologe tun können."
"Nicht ohne Ihre Vorarbeit. Auf jeden Fall hat Angelo sich angesichts der unanfechtbaren Beweise auf eine Zusammenarbeit mit dem Gericht eingelassen und Cerino belastet. Und das war es, was wir brauchten. Jetzt läuft die Sache."
"Vergessen Sie Ihren eigenen Beitrag nicht", sagte Laurie. "Sie haben erreicht, daß die Haushälterin der Kaufmans Angelo bei der Gegenüberstellung und Tony in der Kartei identifiziert hat."
"Das hätte für eine Anklage kaum gereicht", sagte Lou. "Und selbst wenn ich eine Anklage durchgebracht hätte, wäre es nicht zu einer Verurteilung gekommen. Jedenfalls nicht von Cerino. Aber jetzt ist es ja ausgestanden."
"Mir graut bei dem Gedanken, daß Leute wie Cerino herumlaufen", sagte Laurie. "Es ist diese Kombination aus Intelligenz und Psychopathie, die so beängstigend ist. So abscheulich die ganze Cerino-Sache war, sie hatte einige geniale Aspekte. Wenn man sich das überlegt, daß diese Gangster Leute in den Kühlschrank stecken, damit sich das Gewebe der Hornhaut länger hält! Die wußten genau, daß wir das irrtümlich einer Hyperpyrexie zuschreiben würden, die bei Vergiftungen mit Kokain auftritt."
"Eine schlimme Folge wird die Anklage gegen Cerino haben", sagte Lou. "Vinnie Dominick hat jetzt keinen Rivalen mehr. Er und Cerino haben sich gegenseitig in Schach gehalten, aber das ist vorbei. Seit Cerinos Abgang von der Szene ist die Bandenkriminalität in Queens gestiegen, nicht zurückgegangen."
"Jetzt, wo alles vorüber ist", sagte Laurie, "frage ich mich, warum wir so lange gebraucht haben, um herauszufinden, was da im Gange war. Als Ärztin wußte ich schließlich, daß der Staat New York in der rechtsmedizinischen Gesetzgebung nachhinkt und daß eine Warteliste für Hornhauttransplantate existiert. Warum bin ich also nicht eher drauf gekommen?"
"Der Grund dürfte wohl sein, daß der Plan so teuflisch war", meinte Lou. "Einem normalen Menschen fällt es schwer, an eine solche Möglichkeit auch nur zu denken."
"Ich wünschte, ich könnte das glauben."
"Ich bin sicher, daß es so ist."
"Vielleicht."
"Na ja, ich wollte Ihnen nur das mit Cerino erzählen", sagte Lou. Unbeholfen trat er von einem Fuß auf den anderen.
"Schön, daß Sie gekommen sind", sagte Laurie. Sie betrachtete ihn. Er wich ihrem Blick aus.
"Ich glaube, ich sollte ins Büro zurückfahren", sagte Lou. Nervös schaute er sich um, als wollte er sich vergewissern, daß niemand sie beobachtete.
"Möchten Sie noch etwas sagen?" fragte Laurie. "Ihr Benehmen kommt mir verdächtig vertraut vor."
"Na ja", sagte Lou und sah ihr endlich in die Augen. "Hätten Sie Lust, heute abend mit mir essen zu gehen, rein privat, nicht geschäftlich?"
Laurie lächelte über Lous unverändert peinliche Unbeholfenheit im privaten Umgang mit ihr. Sie hatte gedacht, er habe seine Komplexe ihr
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