Montgomery u Stapleton 01 - Blind
auf die Höhe des Lichts zu kommen. Vorsichtig bewegte er sich seitlich darauf zu, bis er erkennen konnte, daß das Licht aus einem Büro mit mehreren Fenstern kam. In dem Raum waren Menschen. Er erkannte Cerino sofort.
Lou schob sich zentimeterweise näher, um einen besseren Blick in das Büro zu bekommen. Das wichtigste, er sah Laurie. Sie saß auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne. Lou erkannte sogar, daß ihre Stirn von Schweiß glänzte.
Da Laurie im Moment nicht in unmittelbarer Gefahr zu sein schien, zog er sich vorsichtig zurück, um vom Wagen aus über Funk Verstärkung anzufordern. Gegen so viele Personen allein vorzugehen, wäre Wahnsinn gewesen.
Als Lou den Wagen erreichte, stieg er ein und griff zum Funkgerät. Er wollte gerade sprechen, als er den Druck von kaltem Stahl in seinem Genick spürte.
"Raus aus dem Wagen", befahl eine Stimme.
Lou drehte sich langsam um und blickte in das hagere Gesicht Angelos.
"Raus."
Lou legte sorgfältig das Mikrophon zurück und stieg aus.
"Hände auf das Dach", befahl Angelo.
Er tastete Lou ab und nahm ihm die Pistole weg.
"Okay. Gehn wir ins Büro. Vielleicht möchtest du auch eine kleine Reise machen."
"Ich weiß nicht, wovon Sie reden", sagte Laurie. Sie zitterte. Der Sarg, in dem sie gelegen hatte, stand neben ihr. Sie hatte Angst, daß man sie wieder hineinzwingen würde.
"Bitte, Doktor", sagte Travino. "Ich bin selbst Arzt. Wir sprechen die gleiche Sprache. Alles, was wir wissen wollen, ist, wie Sie dahintergekommen sind. Wie haben Sie herausgefunden, daß diese Fälle keine normalen Überdosen waren, wie Sie sie tagein, tagaus sehen?"
"Sie müssen jemand anderen meinen", beharrte Laurie. Sie versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren, aber das war schwer bei der Angst. Dennoch war sie überzeugt, daß sie nur deshalb noch am Leben war, weil sie unbedingt wissen wollten, wie sie den Fall gelöst hatte. Folglich hatte sie nicht vor, ihnen irgend etwas zu sagen.
"Laßt mich mal ran", bat Tony.
"Wenn Sie dem Doktor nichts sagen", erklärte Paul, "werde ich Tony gewähren lassen müssen."
In dem Augenblick ging die Lagerhaustür auf, und Lou Soldano wurde in das Büro gestoßen. Angelo folgte ihm, die Pistole in der Hand. "Gesellschaft!" sagte er.
"Wer ist das, Angelo?" fragte Paul. Er trug immer noch die Augenklappe.
"Es ist Lou Soldano", sagte Angelo. "Er wollte gerade etwas über Funk durchgeben."
"Lou?" wiederholte Cerino. "Was machen Sie denn hier?"
"Sie im Auge behalten", erwiderte Lou. Zu Laurie gewandt, fragte er: "Ist alles in Ordnung?"
Laurie schüttelte den Kopf. "Wie sollte es?" sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
Angelo packte einen Stuhl und stellte ihn neben den von Laurie.
"Hinsetzen!" befahl er barsch.
Lou setzte sich, den Blick unverwandt auf Laurie gerichtet.
"Sind Sie verletzt?" fragte er.
"Travino", sagte Paul unwirsch, "diese ganze Geschichte wird mir zu kompliziert. Du mit deinen tollen Ideen." Dann zu Angelo:
"Schick jemand raus, um sicherzugehen, daß Soldano allein war. Und laßt seinen Wagen verschwinden. Um alle Eventualitäten auszuschließen, wollen wir annehmen, daß er eine Möglichkeit hatte, sich zu melden, bevor wir ihn geschnappt haben."
Angelo deutete, mit den Fingern schnippend, auf einige der Ganoven, die Paul begleitet hatten. Sofort verließen die Männer das Büro.
"Soll ich mich um den Polypen kümmern?" fragte Tony.
Paul winkte ab. "Die Tatsache, daß er hier ist, bedeutet, daß er mehr weiß, als er sollte", sagte er. "Er geht ebenfalls auf Reisen. Wir müssen mit ihm genauso reden wie mit dem Mädchen. Aber jetzt bringt sie erst mal auf die Montego Bay. Ich möchte, daß die Mannschaft sowenig wie möglich mitkriegt. Was schlägst du vor?"
"Gas!" sagte Angelo.
"Gute Idee", sagte Paul. "Tony, du bist dran."
Tony sprang auf, erfreut über die Gelegenheit, sich in Pauls Gegenwart bewähren zu können. Er holte ein paar Plastiktüten und den Gaszylinder heraus. Als er die erste Tüte aufgeblasen hatte, band er sie zu und machte sich an die zweite, während die erste langsam zur Decke schwebte.
Einer der Ganoven kam zurück, um zu berichten, daß niemand zu sehen sei und daß man sich um Soldanos Wagen gekümmert habe.
Ein plötzliches dröhnendes Tuten von der Montego Bay ließ alle aufspringen. Das Schiff lag direkt hinter der dünnen Wand des Büros. Paul fluchte. Tony hatte die zweite Tüte kurz losgelassen, und etwas Gas war in den Raum entwichen.
"Ist das Zeug schädlich für uns?"
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