Montgomery u Stapleton 01 - Blind
neuen?"
"Nach der alten", sagte Angelo. "Ich will die neue Cerino zeigen, einfach um sicher zu sein. Bringt nichts, wenn wir uns unnütz Arbeit machen."
5
Mittwoch, 6.45 Uhr
Manhattan
Von dort, wo Laurie stand, konnte sie sehen, wie ihr Bruder dem See zustrebte. Er ging schnell; Laurie hatte Angst, er würde anfangen zu laufen. Sie dachte, er wüßte von dem Moor und wie gefährlich tief es war. Doch er ging weiter, als wäre es ihm egal.
"Shelly!" rief Laurie. Entweder beachtete er sie nicht, oder er konnte sie nicht hören. Laurie schrie erneut, so laut sie konnte, aber er reagierte immer noch nicht. Sie lief ihm nach. Er war nur noch einen Schritt von dem schrecklichen Moor entfernt. "Bleib stehen!" schrie Laurie. "Geh nicht so nah ans Wasser! Bleib zurück!"
Doch Shelly ging weiter. Als Laurie das Seeufer erreichte, steckte er schon bis zur Hüfte in dem schwarzen Morast. Er hatte sich zum Ufer gewandt. "Hilf mir!" rief er.
Laurie blieb direkt am Rand stehen. Sie streckte ihm die Hand entgegen, aber sie konnten sich nicht erreichen. Laurie drehte sich um und schrie um Hilfe, aber es war kein Mensch zu sehen. Als sie sich wieder zu Shelly umdrehte, war er bereits bis zum Hals eingesunken. In seinen Augen stand blankes Entsetzen. Er sank weiter, sein Mund öffnete sich, und er schrie.
Shellys Schrei vermischte sich mit einem mechanischen Klingeln, das Laurie aus dem Schlaf riß. Noch immer verzweifelt bemüht, Shelly zu helfen, griff sie ins Leere und riß den Wecker von der Fensterbank. Mit derselben Bewegung warf sie ein noch halbgefülltes Wasserglas um und stieß gegen das Buch, das sie gestern abend gelesen hatte. Der Wecker, das Wasserglas und das Buch fielen herunter.
Lauries plötzliche Bewegung und die auf den Boden polternden Sachen erschreckten Tom derart, daß er zunächst auf die Kommode sprang, wo er den größten Teil von Lauries Kosmetikartikeln umschmiß, dann versuchte, auf die Vorhangleiste über dem Fenster zu gelangen. Da er es nicht schaffte, krallte er sich im Stoff fest, und sein Gewicht riß den ganzen Vorhang herunter.
Bei dem allgemeinen Tumult und Lärm war Laurie aus dem Bett, bevor sie wußte, was sie tat. Es dauerte ein paar Sekunden, bis das Rasseln des Weckers sie vollends wach werden ließ.
Einen Moment stand sie zwischen den Trümmern in ihrem Zimmer und atmete tief durch. Seit Jahren hatte sie diesen Alptraum nicht mehr gehabt, wohl seit dem College nicht mehr, er verstörte sie mehr als das Durcheinander im Zimmer. Schweiß perlte auf ihrer Stirn, und sie spürte, wie ihr Herz jagte.
Nachdem sie sich einigermaßen gefangen hatte, holte sie die Kehrschaufel aus der Küche, um die Glassplitter aufzufegen. Dann sammelte sie die Kosmetikfläschchen vom Boden auf und stellte sie auf die Kommode. Der Vorhang war eine zu schwierige Aufgabe. Sie beschloß, das für später aufzuheben.
Sie entdeckte Tom unter dem Sofa im Wohnzimmer. Nachdem sie ihn hervorgelockt hatte, hielt sie ihn im Schoß und streichelte ihn ein paar Minuten, bis er schnurrte.
Ungefähr zehn Minuten später wollte sie gerade unter die Dusche gehen, als es an der Tür klingelte. Was soll das denn? dachte sie. Sie griff sich ein Handtuch, ging zur Sprechanlage und fragte, wer da sei.
"Thomas", meldete sich eine Stimme.
"Was für ein Thomas?" fragte Laurie wütend.
"Der Fahrer von Dr. Scheffield. Ich möchte etwas im Auftrag des Doktors abgeben. Er konnte nicht selbst kommen, weil er bereits in der Chirurgie ist."
"Ich komme sofort runter", sagte Laurie.
In aller Eile zog sie sich Jeans und ein Sweatshirt über.
"Sie sind aber früh dran heute morgen." Debra Engler stand wie üblich hinter ihrer Tür.
Laurie war froh, als der Aufzug kam.
Thomas tippte an die Mütze, als er sie sah. Er sagte, er habe sie hoffentlich nicht aus dem Bett geholt. Er hatte eine lange weiße Schachtel für sie, die mit einem breiten, roten Band umwickelt war. Laurie dankte ihm für das Päckchen und ging wieder nach oben.
Sie legte die Schachtel auf den Küchentisch, löste das rote Band, öffnete die Schachtel und entfaltete das Seidenpapier. Eingehüllt in das Papier waren mehrere Dutzend langstielige rote Rosen. Auf den Blumen lag eine Karte, auf der stand: "Bis heute abend, Jordan."
Laurie hielt den Atem an. Da sie noch nie die Empfängerin eines so aufwendigen Präsents gewesen war, wußte sie nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte. Sie war sich nicht einmal sicher, ob es angemessen war, die
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