Montgomery u Stapleton 01 - Blind
Crack sieht man viele total verarmte Leute aus der untersten Gesellschaftsschicht. Von Zeit zu Zeit haben wir schon auch Leute aus sogenannten besseren Kreisen hier, aber sie haben dann, wenn sie die tödliche Dosis nehmen, meistens schon alles verloren: Arbeit, Familie, Geld. Diese jüngsten Fälle kommen mir einfach nicht wie typische Fälle von Überdosis vor. Ich frage mich, ob in den Drogen nicht irgendein Gift war. Wo habe ich denn den Artikel aus dem American Journal of Medicine?" sagte sie mehr zu sich selbst. "Ach, da ist er ja."
Laurie zog die Kopie eines Artikels hervor und reichte sie Lou.
"Auf der Straße verkauftes Kokain wird immer mit irgend etwas gestreckt, meistens mit Zucker oder herkömmlichen Aufputschmitteln, manchmal aber auch mit heimtückischem Zeug. In dem Artikel geht es um mehrere Vergiftungen durch ein Kilo Kokain, das mit Strychnin gestreckt war."
"Nicht schlecht", sagte Lou, als er den Artikel überflog. "Das wäre ein toller Trip."
"Es wäre ein schneller Trip hierher ins Leichenschauhaus", stimmte Laurie zu. "Bei drei ziemlich atypischen Fällen von Überdosis mit derart überraschend ähnlichem sozialem Hintergrund innerhalb von zwei Tagen frage ich mich, ob sie das Kokain nicht aus derselben vergifteten Quelle bezogen haben."
"Das ist, glaube ich, ein ziemlich gewagter Schluß", meinte Lou.
"Vor allem bei nur drei Fällen. Aber selbst wenn Ihr Verdacht richtig wäre, interessiert mich das nicht sonderlich."
"Interessiert Sie nicht?" Laurie konnte kaum glauben, was sie da hörte.
"Bei all den Problemen, die diese Stadt hat, bei all der Gewalt und Straßenkriminalität fällt es mir schwer, viel Sympathie für diese feinen Pinkel aufzubringen, die in ihrer Freizeit nichts Besseres zu tun haben, als verbotene Drogen zu nehmen. Ich mache mir, ehrlich gesagt, viel mehr Gedanken um solche armen Schweine wie diese Frau ohne Kopf, die da unten liegt."
Laurie war sprachlos, doch bevor sie etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon. Sie war überrascht, Jordan Scheffield am anderen Ende der Leitung zu hören, als sie abnahm.
"Ich habe meinen ersten Fall abgeschlossen", sagte er. "Lief bestens. Ich bin sicher, der Baron wird zufrieden sein."
"Freut mich zu hören", sagte Laurie mit einem befangenen Blick auf Lou.
"Haben Sie die Blumen bekommen?"
"Ja", sagte Laurie. "Ich kann sie von hier aus sehen. Vielen Dank. Es war genau das, was der Arzt verordnet hat."
"Sehr schlagfertig", lachte Jordan. "Ich dachte mir, es wäre die angemessene Art, Sie wissen zu lassen, daß ich mich freue, Sie heute abend zu sehen."
"Diese Geste könnte in die gleiche Kategorie fallen wie Ihre Luxuslimousine", sagte Laurie. "Ein wenig extravagant. Aber ich weiß es zu schätzen, daß Sie an mich gedacht haben."
"Ich wollte mich nur ganz kurz melden. Ich muß wieder in die Chirurgie", sagte Jordan. "Bis um acht also."
"Entschuldigen Sie", sagte Lou, als Laurie aufgelegt hatte. "Sie hätten mir sagen können, daß es privat war. Ich wäre rausgegangen."
"Ich bekomme normalerweise keine Privatanrufe hier", sagte Laurie. "Ich war selbst überrascht."
"Ein Dutzend Rosen. Eine Luxuslimousine. Muß ein interessanter Typ sein."
"Das ist er", bestätigte Laurie. "Er hat übrigens gestern abend etwas gesagt, das Sie wahrscheinlich interessieren wird."
"Das kann ich kaum glauben. Aber ich bin ganz Ohr."
"Der Anrufer ist Arzt", erklärte Laurie. "Er heißt Jordan Scheffield. Vielleicht haben Sie von ihm gehört. Er muß ziemlich bekannt sein. Jedenfalls erzählte er gestern abend, daß er den Mann behandelt, an dem Sie so interessiert sind: Mr. Paul Cerino."
"Kein Scherz?" fragte Lou. Er war überrascht. Er war auch interessiert.
"Jordan Scheffield ist Ophthalmologe", sagte Laurie.
"Warten Sie eine Sekunde", bat Lou. Er griff in seine Jacke und zog einen zerfledderten Schreibblock und einen Kugelschreiber heraus. "Lassen Sie mich das aufschreiben." Die Zunge zwischen den Lippen, notierte er sich Jordans Namen. Dann bat er Laurie, das Wort Ophthalmologe zu buchstabieren.
"Ist das das gleiche wie Optometriker?" fragte er.
"Nein", sagte Laurie. "Ein Ophthalmologe ist ein Arzt, der sowohl Augenoperationen vornimmt als auch Augenheilkunde betreibt. Ein Optometriker ist mehr darauf spezialisiert, optische Probleme mit Hilfe von Brillen und Kontaktlinsen zu lösen."
"Und was sind Optiker? Ich habe diese Burschen immer durcheinandergeworfen. Mir hat das nie jemand erklärt."
"Der Optiker führt die
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