Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
zusammengefahren, als BJ sich so plötzlich umgedreht hatte. Die Pistole hatte er gar nicht gesehen. Sonst hätte er wohl kaum ein lautes »Hey, Mister« gerufen.
Jacks Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Die Atmosphäre in dem Drugstore war ihm zuwider, vor allem nach seiner unerfreulichen Begegnung mit dem Apotheker. Die Musik, die im Hintergrund dudelte, und der Geruch nach billigen Kosmetika machten es nicht besser. Er hatte nicht die geringste Lust, sich noch länger in dem Geschäft aufzuhalten. In dem Augenblick, als er den Verkäufer »Hey, Mister« rufen hörte, wandte er ruckartig den Kopf; seine hastige Reaktion hatte er allein der Tatsache zu verdanken, daß er ein reines Nervenbündel war. Er sah in die Richtung, aus der er den Schrei gehört hatte, und erblickte aus dem Augenwinkel einen stämmigen Afroamerikaner. Der Mann machte gerade einen Satz in die Mitte des Gangs und hielt eine Pistole im Anschlag! Was Jack nun tat, war eine reine Reflexbewegung. Er warf sich mitten in das Kondomsortiment. Sein Körper krachte mit voller Wucht gegen das Regal, das mitsamt der Ware laut scheppernd umstürzte. Und dann fand er sich in Gang acht auf einem Stapel verwüsteter Verkaufsartikel und inmitten umgefallener Regale wieder.
Während Jack dem Chaos zu entkommen suchte, ließ Slam sich auf den Boden fallen und zog seinerseits eine Maschinenpistole. BJ schoß als erster. Da er die Waffe nur mit einer Hand hielt, jagte die Kugelsalve quer durch den Laden. Sie riß ganze Stücke aus dem Vinylfußboden und durchlöcherte die zinnverkleidete Decke. Die meisten Schüsse verfehlten den Bereich, in dem Jack und Slam eben noch gestanden hatten; statt dessen durchsiebten sie die Vitaminecke vor dem Apothekenschalter. Slam ballerte nun ebenfalls eine Maschinengewehrsalve durch den Raum. Die meisten seiner Kugeln jagten durch Gang sieben und ließen die große Glasscheibe an der Straßenseite des Ladens in tausend Stücke zerbersten.
Als das Überraschungsmoment vorüber war, hatte BJ sich blitzschnell zurückgezogen. Er war hinter dem Auslagetisch mit den Papiertaschentüchern in Ruhestellung gegangen und überlegte, was er tun sollte.
Alle anderen Menschen, die sich in dem Geschäft aufhielten, schrien laut um Hilfe, unter ihnen auch der Verkäufer, der BJ auf die Schulter getippt hatte. Verzweifelt rannten sie um ihr Leben. Jack hatte sich inzwischen aufgerappelt. Nachdem Slam sein Magazin leergeschossen hatte, jagte nun BJ einen erneuten Kugelhagel durch den Drugstore. Jack wollte nur noch raus aus dem Laden. Mit geducktem Kopf stürmte er durch den Apothekenbereich bis er einen Ausgang mit der Aufschrift ›Zutritt nur für Mitarbeiter‹ entdeckte. Schnell suchte er hinter der Tür Zuflucht und fand sich in einem Aufenthaltsraum wieder. Auf dem Tisch standen geöffnete Getränkedosen und halb aufgegessene Kuchenstücke. Alles deutete darauf hin, daß hier eben noch Menschen gewesen waren.
In der Überzeugung, daß es einen Hinterausgang geben mußte, öffnete Jack sämtliche Türen. Die erste führte zur Toilette, die zweite in einen Vorratsraum. Panisch probierte er die dritte. Zu seiner Erleichterung führte sie nach draußen auf einen von Mülltonnen gesäumten Weg.
29. Kapitel
Dienstag, 26. März 1996,13.30 Uhr
Detective Lieutenant Lou Soldano parkte seinen nicht gekennzeichneten Chevy Caprice vor der Laderampe des Gerichtsmedizinischen Instituts. Er stellte sich hinter den Dienstwagen von Dr. Bingham und übergab dem Mann vom Sicherheitsdienst seinen Zündschlüssel, damit dieser den Wagen gegebenenfalls umparken konnte. Sein Job führte Lou oft ins Leichenschauhaus, doch jetzt war er schon seit über einem Monat nicht mehr dagewesen.
Er nahm den Fahrstuhl und fuhr in den fünften Stock, wo er Laurie besuchen wollte. Er hatte es erst vor ein paar Minuten geschafft, sie aus dem Auto zurückzurufen. Er war gerade aus Queens gekommen, wo er die Ermittlungen im Mordfall an einem prominenten Bankmanager geleitet hatte. Laurie hatte ihm am Telefon irgendeine Geschichte von einem Gerichtsmediziner erzählen wollen, doch er hatte sie unterbrochen und angeboten, kurz bei ihr vorbeizuschauen, da er ohnehin gerade in der Nähe sei. Sie war sofort einverstanden gewesen und wollte in ihrem Büro auf ihn warten.
»Hey, Lau«, rief Lou, als er seine Ex-Freundin erblickte, die an ihrem Schreibtisch saß und arbeitete. Sie schien immer schöner zu werden. Das rotbraune Haar fiel so geschmeidig über
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