Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
eingehämmert hatte, unter keinen Umständen die Polizei einzuschalten, wenn es um Angelegenheiten zwischen den Streetgangs ging. Und immerhin hatte sein Basketballfreund recht gehabt, als er ihm einen Bodyguard zur Seite gestellt hatte. Wäre Slam nicht gewesen, wäre er jetzt mit Sicherheit tot. Ein kalter Schauer jagte ihm den Rücken hinunter. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte er sich nicht besonders darum geschert, ob er weiterleben oder sterben würde. Doch nachdem er dem Tod zweimal nur äußerst knapp entkommen war, dachte er anders darüber. Er zermarterte sich das Hirn, warum in aller Welt die Black Kings ihn unbedingt umbringen wollten. Wer bezahlte sie für diesen Job? Glaubten die mysteriösen Auftraggeber womöglich, daß er irgend etwas wußte, was ja in Wirklichkeit gar nicht so war? Das einzige, was er nach diesem zweiten Anschlag auf sein Leben wußte, war, daß er mit seinen Verdächtigungen richtig lag. Ihm fehlte nur noch der Beweis. Während er grübelte, registrierte er plötzlich, daß er vor einem anderen Drugstore stand. Es war im Gegensatz zu dem ersten Geschäft eine kleine Apotheke, wie man sie von früher kannte. Jack trat ein und wandte sich an den Apotheker, der seinen Laden offensichtlich allein führte. Auf seinem Namensschild stand lediglich sein Vorname: ›Herman‹.
»Haben Sie Rimantadin?« fragte Jack.
»Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, hatte ich noch welches«, erwiderte Herman und lächelte freundlich. »Dafür brauchen Sie aber ein Rezept.«
»Ich bin Arzt«, entgegnete Jack. »Wenn Sie mir ein Blanko geben, fülle ich es schnell aus.«
»Dürfte ich vielleicht Ihren Ausweis sehen?« Jack zeigte ihm seine ärztliche Zulassung für den Staat New York.
»Wieviel brauchen Sie?«
»Für ein paar Wochen sollten sie schon reichen«, erwiderte Jack.
»Geben Sie mir einfach fünfzig. Dann bin ich auf jeden Fall sicher.«
Herman legte ein kleines Plastikröhrchen mit orangefarbenen Tabletten auf den Ladentisch. »Ist das Medikament für Sie selbst?« fragte er.
Jack nickte ein weiteres Mal, woraufhin Herman eine Litanei über mögliche Nebenwirkungen und Gegenanzeigen herunterbetete. Jack war beeindruckt. Nachdem er bezahlt hatte, bat er Herman um ein Glas Wasser, das dieser ihm sofort reichte. Mit einem Schluck Flüssigkeit spülte er die erste Tablette herunter. »Schauen Sie doch mal wieder rein«, sagte Herman zum Abschied.
Da Jack davon ausging, daß er sich mit dem virushemmenden Rimantadin ausreichend vor einer Ansteckung geschützt hatte, beschloß er, gleich bei Gloria Hernandez, der Mitarbeiterin aus dem Zentralmagazin, vorbeizuschauen. Er winkte sich ein Taxi heran. Der Fahrer weigerte sich zunächst, nach Harlem zu fahren, doch nachdem Jack ihn auf die an der Rückenlehne des Vordersitzes angebrachten gesetzlichen Vorschriften hingewiesen hatte, willigte er schließlich ein.
Der Wagen fuhr zunächst in Richtung Norden und arbeitete sich dann, nachdem er den Central Park passiert hatte, auf der Nicholas Avenue nach Harlem vor. Durchs Fenster konnte Jack verfolgen, wie die anfangs vorwiegend von Afroamerikanern bewohnten Gegenden Harlems allmählich in reine Latino-Viertel übergingen. Irgendwann gab es nur noch mit spanischen Namen versehene Straßenschilder.
Als das Taxi rechts ranfuhr, bezahlte Jack und stieg aus. Auf der Straße wimmelte es von Menschen. Das Haus, in dem Gloria Hernandez wohnte, mußte früher einmal ein elegantes Einfamilienhaus inmitten eines lebendigen Viertels gewesen sein. Inzwischen war es ziemlich verfallen; es erinnerte ihn an sein eigenes Zuhause. Ein paar Leute warfen ihm neugierige Blicke zu, als er die Sandsteintreppe hinaufstieg und die Veranda betrat. In dem schwarzweißen Mosaik auf dem Fußboden fehlten einige Kacheln.
Der Reihe kaputter Briefkästen entnahm er, daß Familie Hernandez die zweite Etage bewohnte. Obwohl er nicht damit rechnete, daß sich jemand rühren würde, drückte er den Klingelknopf. Danach probierte er, ob sich die Haustür öffnen ließ. Er hatte Glück: Genau wie in seinem Haus war das Schloß offensichtlich vor einer Ewigkeit geknackt und nie repariert worden. Er stieg die Treppe hinauf in den zweiten Stock und klopfte an der Wohnungstür von Familie Hernandez. Als niemand antwortete, hämmerte er noch einmal etwas lauter gegen die Tür. Schließlich hörte er eine Kinderstimme fragen, wer er sei. Jack rief zurück, daß er Arzt sei und Gloria Hernandez besuchen wolle. Er hörte
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