Montgomery u Stapleton 02 - Das Labor
gebeten, noch einmal anzurufen. Außerdem drängte es ihn, mit ihr zu reden. Nachdem er ihr am Tag zuvor seine halbe Geschichte anvertraut hatte, quälte ihn plötzlich das seltsame Bedürfnis, ihr auch noch den Rest zu erzählen. Irgendwie hatte er das Gefühl, ihr das schuldig zu sein.
Diesmal hatte Terese gegen eine kleine Unterbrechung ihrer Arbeit nichts einzuwenden. Sie sprudelte regelrecht über vor Freude. »Wir sind gestern abend noch ein gutes Stück vorangekommen«, verkündete sie stolz. »Morgen werden wir unserem President und dem Agenturchef eine echte Sensation präsentieren.« Schließlich kam Jack dazu, sie zu fragen, ob sie einen Kaffee mit ihm trinken wolle. Vorsichtshalber erinnerte er sie daran, daß sie selbst diesen Vorschlag gemacht habe. »Gern«, rief Terese. »Wann?«
»Von mir aus sofort.«
»Einverstanden.«
Sie verabredeten sich in einem kleinen Cafe im französischen Stil, das zwischen der 61st und der 62nd Street direkt an der Madison Avenue lag und somit nur ein paar Schritte von Willow and Heath entfernt war. Jack, der zuerst da war, ließ sich an einem Tisch am Fenster nieder und bestellte einen Espresso. Kurz darauf traf auch Terese ein. Sie winkte ihm schon von draußen zu. Am Tisch begrüßte sie ihn überschwenglich, indem sie ihm auf jede Wange ein Küßchen drückte. Sie war ziemlich aufgedreht.
Nachdem sie einen coffeinfreien Cappuccino bestellt hatte, beugte sie sich ein wenig vor und griff nach Jacks Hand. »Wie geht es dir?« fragte sie und sah ihm direkt in die Augen. Dann musterte sie sein Kinn. »Deine Pupillen wirken unverändert, und auch sonst siehst du gut aus. Ich hatte schon befürchtet, dein Gesicht würde sich grün und blau verfärben.«
»Es geht mir ziemlich gut. Ich bin selbst überrascht.«
Terese war nicht zu bremsen und verfiel zunächst in einen Monolog über ihre bevorstehende Präsentation. Dabei betonte sie immer wieder, wie vielversprechend sich alles entwickele. Jack ließ sie reden, bis sie ihm alles erzählt hatte. Nachdem sie ein paarmal an ihrem Cappuccino genippt hatte, fragte sie ihn, wie er denn den Samstag verbracht habe.
»Ich habe viel über unsere Unterhaltung vom Freitag abend nachgedacht«, sagte er. »Mir liegt noch etwas auf der Seele.«
»Was denn?«
»Wir haben ja recht offen miteinander geredet«, begann Jack. »Aber da ist noch etwas, das ich dir nicht erzählt habe. Ich bin es einfach nicht gewohnt, über meine Probleme zu sprechen.« Terese stellte ihre Tasse ab und musterte Jack. Die dunkelblauen Augen verrieten seine Anspannung. Auf seinem Kinn sprossen Bartstoppeln; offenbar hatte er sich noch nicht rasiert. In einer anderen Situation, dachte sie plötzlich, könnte es einem bei seinem Anblick regelrecht unheimlich werden. »Es war nicht nur meine Frau, die damals gestorben ist«, brachte er schließlich stockend hervor. »Ich habe auch meine beiden Töchter verloren. Sie sind alle beim Absturz eines Computer-Flugzeugs um Leben gekommen.« Terese schluckte.
»Und ich fühle, mich für den Tod meiner Familie verantwortlich«, fuhr er fort. »Schließlich haben sie nur meinetwegen in diesem Flugzeug gesessen.«
Terese fühlte so sehr mit ihm, daß sie für eine Weile kein Wort hervorbrachte. Dann gestand sie ihm, daß sie auch nicht ganz ehrlich gewesen war. »Ich habe dir ja erzählt, daß ich mein Kind verloren habe. Aber ich habe verschwiegen, daß es mein ungeborenes Kind war und daß ich zur gleichen Zeit erfahren mußte, daß ich keine Kinder mehr bekommen kann. Und dann hat mich der Mann verlassen, den ich gerade erst geheiratet hatte.« Die Stimmung war so emotionsgeladen, daß keiner von ihnen etwas sagen konnte. Nach ein paar Minuten brach Jack das Schweigen: Es klingt fast, als wollten wir uns gegenseitig mit unseren persönlichen Tragödien übertreffen«, sagte er und lächelte.
»Ja«, pflichtete Terese bei. »Wie zwei Depressive. Mein Therapeut wäre begeistert.«
»Was ich dir gesagt habe, war nur für deine Ohren bestimmt«, sagte Jack schnell. »Bitte rede mit niemandem darüber.«
»Natürlich nicht«, versicherte Terese. »Das gleiche gilt für meine Geschichte. Außer meinem Therapeuten weiß niemand Bescheid.«
»Meine Geschichte kennt niemand«, entgegnete Jack. »Nicht einmal irgendein Therapeut.«
Nach diesen Offenbarungen machte sich bei beiden ein Gefühl der Erleichterung breit. Sie beschlossen, noch ein wenig über angenehmere Dinge zu plaudern. Terese, die in New York groß
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