Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
wird man sie hinrichten. Ich dachte, das sollten Sie vielleicht wissen.« Kevin spürte, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Er wußte, daß Siegfried das gleiche mit Melanie, Candace und ihm vorhatte. Aber wer waren bloß diese Amerikaner? Ob sie etwas mit der Obduktion von Carlo Franconi zu tun hatten?
»Die Lage ist ziemlich ernst«, stellte Esmeralda fest. »Und ich fürchte, auch für Sie. Ich weiß, daß Sie auf der verbotenen Insel waren.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Kevin erstaunt. »Bei uns wird viel geredet«, erwiderte Esmeralda. »Als ich zu Hause erzählt habe, daß Sie so überstürzt weggefahren sind und der Zonenmanager nach ihnen sucht, hat Alphonse Kimba meinem Mann verraten, daß Sie zu der Insel rübergefahren sind. Er war sich ganz sicher.«
»Es ist wirklich lieb von Ihnen, daß Sie sich solche Sorgen um mich machen«, sagte Kevin ausweichend. In Gedanken war er schon ganz woanders. »Danke, daß Sie mich über diese Neuigkeiten informiert haben.«
Verwirrt ging er in sein Schlafzimmer. Als er sich im Spiegel betrachtete, stellte er erschrocken fest, wie erschöpft und dreckig er aussah. Er fuhr sich mit der Hand über seinen Stoppelbart und registrierte dabei etwas, das ihn noch mehr beunruhigte: Er sah seinem Double verblüffend ähnlich! Nachdem er sich rasiert, geduscht und frische Sachen angezogen hatte, fühlte er sich wie neu geboren. Doch er mußte die ganze Zeit an die im Gefängnis unter dem Rathaus eingesperrten Amerikaner denken. Am liebsten wäre er sofort zu ihnen gegangen, um mit ihnen zu reden. Auch den beiden Frauen hatte die Dusche sichtbar gutgetan.
Melanie gab sich wieder selbstbewußt und unverwüstlich und beschwerte sich bitterlich über die Kleiderauswahl, die Siegfrieds Leute für sie getroffen hatten. »Nichts paßt zueinander«, klagte sie.
Sie ließen sich im Eßzimmer nieder, und Esmeralda begann, das Essen zu servieren. Melanie sah sich im Raum um und mußte lachen. »Irgendwie finde ich es witzig, daß wir noch vor ein paar Stunden wie die Neandertaler gelebt haben. Und jetzt plötzlich, wie im Handumdrehen, schwelgen wir wieder im modernen Luxus. Ich komme mir vor, als wäre ich in einer Zeitmaschine gewesen.«
»Wenn wir uns bloß nicht solche Sorgen darum machen müßten, was uns morgen blüht«, gab Candace zu bedenken.
»Laßt uns wenigstens unser letztes Abendessen genießen«, schlug Melanie mit ihrem typischen trockenen Humor vor. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich mir außerdem vorstellen, daß sie uns wirklich den äquatorialguinesischen Behörden ausliefern. Damit können sie doch nicht durchkommen! Schließlich beginnt bald das dritte Jahrtausend. Für so etwas ist die Welt einfach zu klein!«
»Ich weiß nicht recht…«, murmelte Candace.
»Entschuldige, daß ich dich unterbreche«, fiel Kevin ihr ins Wort. »Aber ich muß euch unbedingt etwas erzählen, was ich gerade von Esmeralda erfahren habe.« Kevin begann mit dem nächtlichen Überraschungsanruf von Taylor Cabot und fuhr dann mit der Geschichte über die plötzliche Ankunft der New Yorker und deren nachfolgende Gefangennahme und Verfrachtung in das örtliche Gefängnis fort.
»Seht ihr«, sagte Melanie. »Genau das meinte ich gerade. Da nehmen ein paar clevere Leute eine Autopsie vor, und plötzlich stehen sie in Cogo. Mit unserer Annahme, hier völlig isoliert und unbeobachtet vor uns hin zu wursteln, lagen wir wohl ziemlich daneben. Ich sage euch - die Welt wird von Tag zu Tag kleiner.«
»Glaubst du, diese Amerikaner sind hier, weil sie einem Rätsel um Franconi auf der Spur sind?« fragte Kevin. Seine Intuition sagte ihm, daß es so sein mußte, doch er wollte wissen, ob die Frauen das genauso sahen.
»Wieso sollten sie denn sonst hier sein?« fragte Melanie zurück. »In meinen Augen besteht da nicht der geringste Zweifel.«
»Was meinst du, Candace?« fragte Kevin. »Ich glaube, Melanie hat recht«, erklärte sie. »So viel Zufall kann es einfach nicht geben.«
»Danke, Candace!« sagte Melanie. Während sie ihr leeres Weinglas hin und her schwenkte, sah sie Kevin herausfordernd an. »Ich will ja diese spannende Unterhaltung nicht unterbrechen, aber hast du vielleicht noch etwas mehr von diesem köstlichen Wein?«
»Ach herrje«, rief Kevin. »Entschuldige, daß ich so unaufmerksam bin.« Er stand auf und ging in die Speisekammer, wo er seine größtenteils unangerührten Weinvorräte aufbewahrte. Während er die Etiketten
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