Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
hatte.
Spalleks Büro war erheblich größer als das Vorzimmer und erstreckte sich über die gesamte Breite des Gebäudes. Die mit Fensterläden versehenen Fenster zeigten nach hinten zum Parkplatz und nach vorne zum Hauptplatz. Von den vorderen Fenstern aus hatte man zudem einen beeindruckenden Blick auf den neuen Krankenhaus- und Labor-Komplex. Von seinem Standpunkt aus konnte Bertram sogar das Fenster von Kevins Labor erkennen.
»Setzen Sie sich«, forderte Siegfried ihn auf, ohne aufzublicken. Er hatte eine rauhe, kehlige Stimme und sprach mit einem leichten deutschen Akzent. Seine Worte wirkten befehlshaberisch und autoritär. Er war gerade dabei, einen Stapel Briefe zu unterschreiben.
»Ich bin sofort fertig.« Bertram ließ seinen Blick durch das überladen wirkende Büro schweifen. In Spalleks Arbeitszimmer hatte er sich noch nie wohl gefühlt. Als Tierarzt und gemäßigter Umweltschützer hatte er vor allem für die Dekoration des Raumes nicht viel übrig. Von den Wänden und von jeder verfügbaren horizontalen Fläche blickten ausgestopfte Tierköpfe mit gläsernen Augen herab; viele von ihnen zählten zu den bedrohten Arten. Bertram sah mehrere Wildkatzen, unter anderem Löwen, Leoparden und Geparden. Darüber hinaus gab es ein erschreckend großes Sortiment an Antilopen; Bertram hatte gar nicht gewußt, daß überhaupt so viele existierten. An der Wand hinter Spallek hingen etliche Rhinozeros-Köpfe, die mit ihren ausdruckslosen Augen auf den Schreibtisch hinabstarrten. Auf dem Bücherregal lagen mehrere Schlangen, unter anderem eine sich aufrichtende Kobra. Auf dem Boden stellte ein enormes Krokodil mit halb aufgerissenem Maul seine furchterregenden Zähne zur Schau. Der Tisch neben Bertrams Arbeitsplatz bestand aus einem Elefantenfuß, auf dem eine Platte aus Mahagoni lag. In den Ecken des Zimmers standen gekreuzte Elefanten-Stoßzähne.
Mehr noch als die ausgestopften Tiere störten Bertram die Totenköpfe, von denen drei auf Siegfrieds Schreibtisch standen. Bei allen war der obere Teil abgesägt, einer schien an der Schläfe ein Einschußloch zu haben. In einem der Totenköpfe hatte Spallek seine Büroklammern, einen nutzte er als Aschenbecher, und einer diente als Halter für eine große Kerze. Zwar war die Stromversorgung in der Zone erheblich zuverlässiger als im gesamten übrigen Teil des Landes, doch gelegentlich fiel auch hier aufgrund von Blitzeinschlägen der Strom aus.
Die meisten Leute und vor allem die Besucher von GenSys glaubten, daß die Totenschädel von Affen stammten. Doch Bertram wußte, daß das nicht stimmte. Es waren Schädel von Menschen, die von den äquatorialguinesischen Soldaten getötet worden waren. Alle drei Opfer waren eines Kapitalverbrechens für schuldig erklärt worden: sie hatten sich in die Geschäfte von GenSys eingemischt. In Wahrheit waren sie beim Wildern erwischt worden. Sie hatten auf dem 260 Quadratkilometer großen, ›die Zone‹ genannten Gebiet wilde Schimpansen gejagt. Siegfried betrachtete das Gebiet als sein persönliches Jagdrevier.
Vor ein paar Jahren hatte Bertram einmal vorsichtig gefragt, ob es wirklich klug sei, die Schädel derart zur Schau zu stellen, doch Siegfried hatte ihm daraufhin erklärt, daß er so die einheimischen Arbeiter auf Zack halte.
»Das ist genau die Sprache, die sie verstehen«, hatte er gesagt. »Die Eingeborenen hier begreifen solche Symbole einfach besser.« Bertram bezweifelte nicht im geringsten, daß sie die Botschaft verstanden. Schließlich hatte die Bevölkerung lange unter den Greueltaten eines furchtbaren Diktators gelitten. In Spalleks Büro mußte Bertram immer daran denken, wie Kevin auf die Schädel reagiert hatte. Er hatte gesagt, sie erinnerten ihn an die deformierte Figur Kurtz aus Joseph Conrads Roman »Herz der Finsternis«.
»So, das war’s«, sagte Siegfried schließlich in seinem Akzent und schob die unterzeichneten Papiere beiseite. »Was haben Sie auf dem Herzen? Ich hoffe, es gibt keine Probleme mit den neuen Bonobos.«
»Nicht im geringsten«, erwiderte Bertram und musterte den Gebietsmanager von GenSys. »Die beiden Zuchtweibchen sind prächtige Exemplare.« Spallek zeichnete sich vor allem durch die häßliche Narbe aus, die unter seinem linken Ohr begann, sich über die ganze Wange hinzog und direkt unter seiner Nase endete. Im Laufe der Jahre war die Narbe ein wenig geschrumpft und hatte dadurch seine Mundwinkel hochgezogen, so daß er immer aussah, als würde er höhnisch
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