Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
rechte Hand erhob. »Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr Ihnen Gott helfe?«
»Ich schwöre«, sagte Leona mit leicht näselnder Stimme. Sie warf dem Richter durch ihre stark getuschten Wimpern einen sittsamen Blick zu, während sie die Stufe zum Zeugenstand hinaufstieg.
Tony ließ sich Zeit, während er ans Rednerpult trat und seine Notizen ordnete. Dann stellte er wie üblich einen seiner Tasselloafer auf den Messingfußlauf und begann mit der Befragung seiner Zeugin. Als Erstes erstellte er eine kurze Biographie: wo sie geboren war (Revere, Massachusetts); wo sie die Highschool besucht hatte (Revere, Massachusetts); wo sie momentan lebte (Revere, Massachusetts). Er fragte sie, wie lange sie schon in Dr. Craig Bowmans Praxis arbeitete (über ein Jahr) und wo sie an drei Abenden in der Woche die Abendschule besuchte (Bunker Hill Community College).
Während Leona diese wenig aufregenden Einstiegsfragen beantwortete, hatte Jack Gelegenheit, sie näher zu betrachten. Er bemerkte, dass sie und Tony den gleichen Akzent hatten, der in seinen Ohren ebenso gut der Brooklyner hätte sein können wie einer aus Boston. Außerdem erkannte er weitere Anzeichen für die Charaktereigenschaften, die Craig beschrieben hatte: Dickköpfigkeit, ein lebhaftes Temperament und Eigensinn. Was sich erst noch zeigen musste, war ihr aufbrausendes Naturell.
»Lassen Sie uns jetzt über Ihre Beziehung zu Ihrem Chef, Dr. Craig Bowman, reden«, sagte Tony.
»Einspruch«, rief Randolph. »Irrelevant.«
»Die Anwälte an meinen Tisch!«, befahl Richter Davidson gereizt.
Randolph gehorchte unverzüglich. Tony bedeutete Leona mit einem Wink, sich nicht vom Fleck zu rühren, und folgte ihm.
So wie manche Leute mit ihrer zusammengerollten Zeitung einem Hund drohen, richtete Richter Davidson seine Lesebrille auf Tony. »Wehe Ihnen, wenn das Ganze nur ein fein ausgetüftelter Trick ist. Versichern Sie mir jetzt auf der Stelle, dass dieser ganze private Mist für die Sache des Klägers tatsächlich von Belang ist. Ansonsten werden wir es hier mit einem fehlerhaft geführten Prozess zu tun bekommen und möglicherweise einer sofortigen richterlichen Entscheidung zu Gunsten des Beklagten.«
»Es ist auf jeden Fall von Belang. Die Zeugin wird aussagen, dass ihre Beziehung und ihre Pläne für jenen Abend der Grund dafür waren, dass Dr. Bowman gar nicht in Erwägung gezogen hat, Patience Stanhope im Krankenhaus zu treffen.«
»Also gut. Ich werde Ihnen eine Menge Freiraum geben, und ich hoffe, Sie drehen sich daraus nicht selbst einen Strick. Ich werde diese Aussage zum Privatleben zulassen, und zwar aus den gleichen Gründen, die ich bereits vorher angeführt habe, hauptsächlich meiner Überzeugung, dass ihr Beweiswert die vorverurteilenden Auswirkungen überwiegt.« Richter Davidson wedelte mit seiner Brille in Randolphs Richtung. »Was die Verteidigung betrifft, so werde ich Ihnen im Kreuzverhör einen großen Spielraum gewähren, den Mr Fasano respektieren wird. Und nachdem das geklärt ist, möchte ich, dass die ganze Sache jetzt endlich zügig über die Bühne geht. Ich bin Ihre ständigen gegenseitigen Unterbrechungen endgültig leid. Verstanden?«
»Ja, Euer Ehren«, antworteten die beiden Anwälte wie aus einem Mund. Sie drehten sich auf dem Absatz um und gingen an ihre Plätze zurück.
»Einspruch abgelehnt«, rief Richter Davidson als Hinweis für die Protokollführerin. »Fahren Sie mit der Befragung von Ms Rattner fort.«
»Miss Rattner«, sagte Tony. »Würden Sie dem Gericht etwas über Ihre Beziehung zu Dr. Bowman erzählen?«
»Klar. Anfangs war ich, na ja, einfach nur eine von seinen Angestellten. Aber vor einem Jahr ungefähr ist mir aufgefallen, dass Dr. Bowman mir nachschaute. Sie verstehen, was ich meine?«
»Ich denke schon«, antwortete Tony. »Fahren Sie fort!«
»Anfangs war mir das ja peinlich, weil ich wusste, dass er verheiratet war, mit Kindern und allem Drum und Dran. Aber als ich irgendwann abends länger gearbeitet habe, kam er zu mir in den Aktenraum und fing an, mit mir zu reden. Eins kam zum anderen, und wir fingen an, zusammen rumzuhängen. Ich meine, das war ja auch okay, weil ich mittlerweile rausgefunden hatte, dass er zu Hause ausgezogen war und eine Wohnung in Boston hatte.«
»War das eine platonische Beziehung?«
»Himmel, nein! Er war ein Hengst. Es war eine sehr körperliche Beziehung. Einmal haben wir es sogar nachmittags in der Praxis
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