Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
unerwiderten Gefühlen für Sie beruht.«
»Vielleicht«, entgegnete Latasha ausweichend.
»Ich hoffe, Sie bringen sich nicht in eine unangenehme Lage, indem Sie seine Hilfe annehmen.«
»Damit werde ich schon fertig«, versetzte Latasha, und ihr Tonfall verhieß: Ende der Diskussion.
Das Labor war auf dem neuesten Stand der Technik und beinahe menschenleer. Außer Allan waren nur noch zwei Laborassistenten dort, die sich am anderen Ende des großzügig dimensionierten Raums zu schaffen machten. Es gab drei Reihen von Arbeitstischen, die unter dem Gewicht der funkelnagelneuen Ausrüstung ächzten.
Allan war ein auffallend gut aussehender Afroamerikaner mit kurz geschnittenem Schnurrbart und Ziegenbärtchen, was ihm einen einschüchternd mephistophelischen Touch verlieh. Zu seiner beeindruckenden Erscheinung trug auch seine muskulöse Statur bei, die der weiße Laborkittel mit aufgerollten Ärmeln über dem eng anliegenden schwarzen T-Shirt kaum verhüllte. Seine Haut hatte die Farbe von poliertem Mahagoni, ein bis zwei Töne dunkler als die von Latasha. Seine Augen funkelten, und sein Blick war unverwandt auf seine frühere College-Freundin gerichtet.
Latasha stellte Jack vor, dem lediglich ein kurzer Händedruck und ein flüchtiger, abschätzender Blick gegönnt wurden. Allan war ganz offen ausschließlich an Latasha interessiert und bedachte sie mit einem strahlenden Lächeln, das seine verblüffend weißen Zähne enthüllte.
»Du solltest dich hier nicht so selten blicken lassen, Mädel«, sagte Allan, als er sie in sein winziges, zweckmäßig eingerichtetes Büro winkte. Er ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, während Latasha und Jack sich davor auf zwei Stühle mit gerader Lehne setzten.
»Sie haben ein beeindruckendes Labor«, sagte Jack und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Aber ein bisschen wenig Personal, oder?«
»Nur in dieser Schicht«, antwortete Allan. Er lächelte immer noch Latasha an. »Was die Zahl der Angestellten betrifft, herrscht zwischen uns und der Tagschicht ein Unterschied wie Tag und Nacht.« Er lachte über seinen Scherz. Jack hatte den Eindruck, dass es ihm nicht an Selbstwertgefühl oder Humor mangelte.
»Was hast du in unseren Proben gefunden?«, kam Latasha gleich zur Sache.
»Ah ja«, sagte Allan und legte die Fingerspitzen aneinander, während seine Ellbogen auf der Schreibtischplatte ruhten. »Du hast mir in deiner Nachricht ja ein bisschen Hintergrund dazu geschrieben, aber den würde ich gerne noch mal mit dir durchgehen, um sicher zu sein, dass ich alles richtig verstanden habe. Die Patientin ist vor ungefähr acht Monaten an einem Herzinfarkt gestorben. Sie wurde einbalsamiert, begraben und vor kurzem wieder exhumiert. Und ihr wollt ausschließen, dass irgendein Medikament mit im Spiel war.«
»Lass es uns knapper formulieren«, sagte Latasha. »Bis jetzt sind alle davon ausgegangen, dass sie eines natürlichen Todes gestorben ist. Wir wollen sichergehen, dass es sich nicht um Mord gehandelt hat.«
»Okay«, sagte Allan langsam, als dächte er darüber nach, was er als Nächstes sagen wollte.
»Was hat das Screening ergeben?«, fragte Latasha ungeduldig. »Warum ziehst du das so in die Länge?«
Jack schrak bei Latashas Tonfall innerlich zusammen. Es war ihm unangenehm, dass sie Allan gegenüber so unfreundlich war, obwohl er ihnen einen riesigen Gefallen tat. Ihm wurde immer klarer, dass es zwischen ihnen etwas gab, das er nicht wusste und auch gar nicht wissen wollte.
»Ich will nur sicherstellen, dass ihr die Ergebnisse richtig interpretiert«, verteidigte sich Allan.
»Wir sind beide Rechtsmediziner«, schoss Latasha zurück. »Ich glaube, wir wissen ganz gut über die begrenzten Möglichkeiten eines toxikologischen Screenings Bescheid.«
»Wisst ihr denn auch, dass der Vorhersagewert eines negativen Testergebnisses nur bei rund vierzig Prozent liegt?«, fragte Allan mit hochgezogenen Augenbrauen. »Und das bei kürzlich Verstorbenen, nicht bei einbalsamierten Leichen.«
»Das heißt also, das Resultat war negativ?«
»Genau das«, sagte Allan. »Es war eindeutig negativ.«
»Mein Gott, ist das ein Krampf«, klagte Latasha. Sie verdrehte die Augen.
»Nach welchen Stoffen suchen Sie bei Ihrem Screening«, fragte Jack. »Ist darunter auch Digitalis?«
»Digitalis ist dabei«, bestätigte Allan, während er sich halb von seinem Stuhl erhob und Jack die Liste der Wirkstoffe gab, auf die in ihrem Labor beim Screening getestet
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