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Montgomery u Stapleton 06 - Crisis

Montgomery u Stapleton 06 - Crisis

Titel: Montgomery u Stapleton 06 - Crisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Entschuldigung würde es nicht geben.
    Calvin würde nicht nein sagen; dringende Familienangelegenheiten wurden immer akzeptiert.
    Doch noch bevor er sich von seinem Computer abgemeldet hatte, siegte die Vernunft. Intuitiv wusste er, dass er zumindest versuchen sollte, zuerst mit Laurie zu reden, denn wenn er es nicht tat und sie das später herausfand, würde er eine Menge Ärger bekommen. Mit diesem Gedanken ging er den Flur entlang zu Lauries Büro.
    Es gab noch einen Grund, warum Jack keine große Lust hatte, nach Boston zu fliegen. Er schätzte Craig Bowman nicht sonderlich. Alexis zuliebe hatte er ihn ertragen, aber das war ihm noch nie leichtgefallen. Von dem Tag an, als Jack ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte er gewusst, was für ein Mensch er war. An seiner Universität hatte es mehrere Studenten dieses Typs gegeben, und sie alle waren die Besten ihrer Klasse. Sie gehörten zu jenen Menschen, die mit Vorliebe jedes Mal, wenn sie in eine medizinische Diskussion verwickelt wurden, alle anderen mit einer Flut von Zitaten aus Zeitschriftenaufsätzen erschlugen, die angeblich ihren Standpunkt bestätigten. Wenn das das einzige Problem gewesen wäre, hätte Jack damit leben können, aber leider gesellten sich zu Craigs rechthaberischer Art noch Arroganz, Großspurigkeit und Anspruchsdenken in entnervendem Maße. All das hätte Jack aushalten können, wenn es möglich gewesen wäre, sich mit Craig gelegentlich über etwas anderes als Medizin zu unterhalten. Doch das gelang ihm nie. Craig interessierte sich ausschließlich für Medizin, Forschung und seine Patienten. Er hatte kein Interesse an Politik oder Kultur, nicht einmal an Sport. Für so etwas hatte er keine Zeit.
    Während sich Jack Lauries Bürotür näherte, schnaubte er vernehmlich, als ihm Alexis’ Bemerkung wieder einfiel, er neige zu Vermeidungsverhalten. Das war doch die Höhe! Er dachte einen Augenblick nach, dann musste er lächeln. In einem Moment plötzlicher Einsicht erkannte er, dass sie recht hatte und dass Laurie ihr aus vollem Herzen zustimmen würde. In mancherlei Hinsicht zeugte seine Reaktion von genau jenem Narzissmus, den er Alexis gegenüber eingeräumt hatte.
    Jack steckte den Kopf in Lauries Büro, aber ihr Schreibtischstuhl war leer. Riva Mehta, Lauries dunkelhäutige Bürokollegin, saß an ihrem Schreibtisch und telefonierte mit ihrer samtigen Stimme. Sie schaute auf und sah Jack aus ihren Onyx-Augen an.
    Jack deutete auf Lauries Stuhl und zog fragend die Augenbrauen hoch. Riva antwortete, indem sie auf den Boden deutete und mit den Lippen lautlos »in der Grube« formte, ohne den Telefonhörer vom Ohr zu nehmen.
    Mit einem Nicken gab Jack zu erkennen, dass er verstanden hatte. Laurie war unten im Sektionssaal, wo sie wahrscheinlich eine späte Autopsie durchführte. Er machte kehrt und ging zu den Aufzügen. Wenn Laurie jetzt herausfinden sollte, dass er zuerst zu Calvin gegangen war, hatte er eine Erklärung.
    Wie üblich fand er Dr. Calvin Washington in seinem Büro neben dem des Chefs. Im Gegensatz zum Büro des Leiters des rechtsmedizinischen Instituts war es winzig, und die metallenen Aktenschränke, sein Schreibtisch und ein paar Stühle mit gerader Lehne füllten es fast vollständig aus. Es blieb Calvin kaum noch genug Platz, um seinen zweihundertfünfzig Pfund schweren Körper am Schreibtisch vorbeizuzwängen und sich auf seinen Stuhl sinken zu lassen. Calvins Arbeit bestand darin, den Alltag des rechtsmedizinischen Instituts zu organisieren, was keine leichte Aufgabe war, wenn man bedachte, dass dort über ein Dutzend Rechtsmediziner beschäftigt waren und pro Jahr mehr als zwanzigtausend Fälle eingeliefert wurden, die zu fast zehntausend Autopsien führten. Pro Tag kamen durchschnittlich zwei Mordopfer und zwei Drogentote herein. Die Rechtsmedizin war ein geschäftiger Ort, und Calvin war für all die nervigen Details verantwortlich.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte Calvin mit dröhnender Stimme. Anfangs war Jack von seiner muskelbepackten Statur und seinem aufbrausenden Temperament relativ eingeschüchtert gewesen. Doch mit den Jahren hatten die beiden einen argwöhnischen Respekt voreinander entwickelt. Jack wusste, dass Calvin zwar bellte, aber nicht biss.
    Jack ging nicht näher auf Einzelheiten ein, sondern erklärte lediglich, dass er wegen dringender Familienangelegenheiten nach Boston fliegen müsse.
    Calvin musterte ihn durch die Gleitsichtgläser seiner Drahtgestellbrille. »Ich wusste gar

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