Monuments Men
besichtigt, die in dem kleinen Dorf während der Kämpfe im Zusammenhang mit der Ardennenoffensive angerichtet worden waren. In Metz hatte er bei der 3. US-Armee Kriegsgefangene verhört. In Aachen hatte er die Schäden ermittelt die im Oktober 1944 durch den Angriff der 1. US-Armee auf die Stadt entstanden waren. Er koordinierte die Arbeit, verfestigte die Struktur. Zum ersten Mal konnten die Männer im Feld erkennen, dass sie, zumindest durch diesen einen Offizier, eine Art von Organisation bildeten und nicht allein der europäischen Kulturgüter wegen kämpften. Durch seine ungewollte Versetzung zur 12. Heeresgruppe war George Stout durch Zufall ein unverzichtbarer Mann geworden, der Fels, auf dem die Arbeit des Kulturgüterschutzes in Nordwesteuropa beruhte.
Aber vielleicht war es auch gar kein Zufall. Schon seit dem ersten Treffen in New York City im Dezember 1941, während der Ausbildung im englischen Shrivenham, beim Vorstoß durch die Hecken der Normandie und beim Sturmlauf zur deutschen Grenze war George Stout ein unverzichtbarer Mann gewesen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass er jetzt eine offizielle Position bekleidete.
Und auch keinen Augenblick zu früh, denn am 6. März 1945 begann der schwierigste Teil der Arbeit. Stout legte seine Päckchen aus der Heimat beiseite – er würde sie später aufmachen, wenn er sie wirklich genießen konnte – und rollte seine Landkarte aus.
Die 2. britische Armee bildete die nördliche Flanke des Vormarsches in den Niederlanden. Sein alter Zimmerkollege, der britische Wissenschaftler Ronald Balfour, hatte die Dinge zweifellos gut im Griff, wenngleich er sein wichtigstes Zielobjekt erst noch ausfindig machen musste: die Brügger Madonna von Michelangelo.
Auf der südlichen Flanke hatte die 7. US-Armee noch keinen Monuments Man benannt. Das konnte Stout hinnehmen, weil die 7. Armee auf ein Zentrum der Schwerindustrie in Südwestdeutschland vorrückte, ein Gebiet, in dem es relativ wenige Kulturgüter gab. Dennoch würde auch diese Armee einen Kulturgüterschutzoffizier brauchen, und Stout hoffte sehr, dass die Offiziere im Hauptquartier der alliierten Streitkräfte für diese Aufgabe jemanden im Auge hatten, der dafür besonders geeignet war.
Zwischen diesen beiden Armeen lag Stouts Zuständigkeitsbereich: die 1., die 3., die 9. und die 15. US-Armee.
In der 15. Armee war der Monuments Man Everett »Bill« Lesley, der von der 1. Armee hierher versetzt worden war, für den Kulturgüterschutz verantwortlich.
Im Süden, im Tal der Mosel, lag General Pattons 3. Armee. Am 29. Januar 1945 hatte sie endgültig die Siegfried-Linie, den Westwall, vor Metz durchbrochen und rückte in Richtung des deutschen Kernlands vor. Nach allem, was er in den vergangenen Wochen gesehen hatte, war Stout zuversichtlich, dass Posey und Kirstein das richtige Gespann für diesen Job waren.
Die 9. US-Armee war mittlerweile auch dafür verantwortlich die wichtige Stadt Aachen zu halten. Ihr Monuments Man war Hauptmann Walter Huchthausen, ein Architekturprofessor an der Universität Minnesota. Stout hatte »Hutch« noch nicht persönlich kennengelernt, und er wusste auch nicht genau, wie und wann der junge Mann zur MFAA gekommen war. Er wusste nur, dass er 1944 bei einem deutschen Bombenangriff auf London verwundet worden war, was eine Erklärung dafür sein mochte, dass er in der Zeit vor dem D-Day nicht in Shrivenham gewesen war. Soweit Stout informiert war, war Hutch für die erste Welle der Monuments Men vorgesehen gewesen.
Er verfügte zweifellos über die erforderlichen Qualifikationen: Er war klug, weltgewandt, professionell und energisch. Neben Architektur hatte er auch Design studiert und kannte sich gut aus in der europäischen Kultur. Er war vor Kurzem 40 Jahre alt geworden, ein typisches Alter für einen Monuments-Offizier, aber Stout kam er immer noch wie ein junger Mann vor. Und das lag nicht daran, dass er als Vorgesetzter eine gewisse Fürsorgepflicht für ihn empfand. Hutch hatte das sandblonde, jungenhafte Aussehen eines durch und durch amerikanischen Jugendlichen das er zweifellos während seiner Jugend in der Kleinstadt Perry in Oklahoma angenommen hatte.
Doch mehr als seine guten Manieren und sein jungenhafter Charme beeindruckte George Stout an dem neuen Monuments Man dessen Engagement. Er hatte in Aachen bereits ein Bauamt aufgebaut, das die wichtigsten Reparaturmaßnahmen in die Wege leitete, und er hatte das Suermondt-Museum, wo Walker Hancock im Herbst 1944
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