Monuments Men
deutschen Militärstaates verwahrt. Der Raum war nicht für Hitler bestimmt; er war für das nächste Reich gedacht, das auf seinem Ruhm aufbauen sollte.«
Hancock lachte. »Und er blieb nicht einmal bis zum Ende dieses Reiches verborgen.«
Rund 550 Kilometer nördlich erhielt James Rorimer endlich die Nachricht, auf die er gewartet hatte: Die 7. US-Armee rückte nach Neuschwanstein vor. Er fuhr unverzüglich zum Fahrzeugdepot wo er feststellen musste, dass keine freien Fahrzeuge verfügbar waren, weil die Kommandoeinheit in Kürze nach Augsburg oder München aufbrechen würde.
Einfallsreich und entschlossen wie eh und je, vor allem nachdem er seinem Ziel nun schon so nahe gekommen war, verschaffte sich Rorimer über einen Freund beim Roten Kreuz einen Jeep und machte sich auf den Weg. Da Neuschwanstein noch nicht befreit war, nahm er einen Umweg über Buxheim, wo die Nationalsozialisten nach Aussage von Rose Valland schon Anfang 1943 jene Objekte eingelagert hatten, für die auf Neuschwanstein kein Platz mehr gewesen war. Bereitwillig beschrieb ihm ein deutscher Polizist den Weg zu dem Kloster, das einige Kilometer außerhalb lag und wo, wie allgemein bekannt war, die Kunstwerke untergebracht waren. Doch die amerikanischen Soldaten, die sich dort aufhielten, wussten anscheinend nichts von dem Kunstdepot. In die vorderen Räume des Klosters waren Diebe eingebrochen, und die alliierten Soldaten hatten alle Hände voll zu tun, um die geraubten französischen Trockenwaren vor den hungrigen Flüchtlingen zu schützen. Im hinteren Teil eines der Räume bemerkte Rorimer Kisten mit Plastiken, die mit »D-W.« beschriftet waren, dem persönlichen Emblem von Pierre David-Weill, einem der großen Kunstsammler dieser Welt. Im Haupttrakt des Klosters waren sogar auf den Gängen geraubte Renaissance-Möbel aufgestellt. Die Räume, in denen ein Priester, 13 Nonnen und 22 Flüchtlingskinder lebten, waren voll mit Töpferwaren, Gemälden und ornamentalen Kunstwerken. Der Fußboden der Kapelle war fast dreißig Zentimeter hoch mit Teppichen und Tapisserien belegt, von denen viele von den Wänden und Fußböden der zahlreichen Rothschild-Güter geraubt worden waren.
Die deutschen Verantwortlichen des Klosters zeigten sich nicht sonderlich hilfsbereit, mehr Glück hatte Rorimer aber bei Martha Klein, Restauratorin aus Köln und Verwalterin der Lagerstätte. Wie Rorimer von Klein erfuhr, war das Kloster das wichtigste Restaurationsatelier für die vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) in Frankreich geraubten Kunstwerke gewesen. Martha Klein war umgeben von den Instrumenten ihres Gewerbes: von Kameras, Pinseln, Farben, Spachteln, Lampen, Messgeräten und Milch, die zur Unterfütterung von Leinwänden verwendet wurde. Rorimer fiel ein kleines Gemälde auf, das auf einem der Tische lag. Klein erzählte ihm, dass es sich dabei um einen Rembrandt handelte, den die Nazis in einem Banktresor in München entdeckt hatten. Auf Rorimers Bitte hin legte sie ihm eine Liste der Bilder vor, die sie und andere in den vergangenen zwei Jahren in diesen kleinen Räumen restauriert hatten.
»Es gibt nur wenige Kunstmuseen auf der Welt, die sich einer ähnlich wertvollen Sammlung rühmen können, wie wir sie hier [in Buxheim] vorgefunden haben«, schrieb Rorimer später. »Man konnte nicht mehr mit den üblichen Begriffen über Kunstwerke sprechen – ein Raum voll, eine Waggonladung, ein ganzes Schloss voll, mit diesen Mengen hatten wir es hier zu tun.« 266
Und das war nur der Überschuss, die Objekte, die an ihrem eigentlichen Zielort nicht mehr hatten untergebracht werden können. Neuschwanstein aber war noch immer viele Kilometer entfernt.
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DIE SCHLINGE ZIEHT SICH ZU
Deutschland und Österreich
2./3. Mai 1945
Doch der Krieg wurde nicht nur von den westlichen Alliierten ausgefochten. In Italien kapitulierten die deutschen Truppen am 2. Mai. An der Ostfront war die mehr als zwei Millionen Mann umfassende Rote Armee durch Polen gezogen und stieß nun tief in das deutsche Kernland vor, weshalb deutsche Soldaten und Zivilisten in Scharen nach Westen flohen, um sich in Sicherheit zu bringen. Am 4. Mai verhafteten amerikanische Soldaten Hans Frank, den berüchtigten Generalgouverneur des besetzten Polen, im »Haus Bergfrieden« in Neuhaus am Schliersee, rund 16 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt.
Frank hatte eine grausame und blutige Herrschaft über Polen errichtet. »Wir dürfen nicht zusammenzucken, wenn wir hören,
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