Monuments Men
dessen Entwicklung maßgeblich vorangetrieben. Es erscheint zweifelhaft, ob die US-Armee die MFAA toleriert hätte, wenn sich nicht die Roberts-Kommission, die mit Roosevelts ausdrücklicher Unterstützung eingerichtet worden war, dafür stark gemacht hätte, und niemand war besser geeignet, George Stouts Truppe von »speziellen Einsatzkräften« zusammenzustellen, als jene Männer, die den amerikanischen Kunstbetrieb beherrschten. Sie waren in der Lage, die beiden wichtigsten Lehren, die aus Nordafrika und Sizilien zu ziehen waren – dass die Armee auf die Kunstschutzbeauftragten hören sollte, sofern diese Militäroffiziere waren, und dass diese Offiziere während oder unmittelbar nach den Kämpfen an den Fronten erscheinen mussten –, zu beherzigen und auf dieser Grundlage einen praktisch umsetzbaren Plan zu entwickeln. Und Stout erschien noch etwas anderes durchaus positiv: Es war kein einziger Museumsdirektor in das Offizierskorps der MFAA aufgenommen worden.
Nein, nicht die Art der Beteiligten oder die Größenordnung der Mission bereitete Stout Sorgen, als er an diesem für die Jahreszeit viel zu warmen Märzmorgen über die bevorstehende Invasion nachdachte. Es war die Ad-hoc-Natur des Unternehmens. Es gab keine formelle Aufgabenbeschreibung, nicht einmal eine festgelegte Kommandostruktur. Niemand wusste anscheinend genau, wie viele Männer für die Aufgabe benötigt wurden, wie sie in Europa verteilt werden sollten und wann oder ob überhaupt weitere Soldaten dazukommen würden. Die Männer meldeten sich einfach mit ihren Marschbefehlen zum Dienst, alles wirkte eher zufällig. Gestützt auf Stouts Fachwissen und Veröffentlichungen über dieses Gebiet war ein Handbuch über die Verfahren zur Erhaltung und Pflege von Kunstwerken erstellt worden. Aber die Monuments Men besaßen keine formelle Ausbildung. Ihre Schulung bezog sich hauptsächlich auf die Vermittlung von Grundlagen, wie etwa die Erfassung der geschützten Kunstwerke und Kulturgüter in den einzelnen europäischen Ländern. Soweit Stout wusste, war keiner der Männer mit den militärischen Aspekten des Unternehmens vertraut, beispielsweise der Beschaffung von Waffen, Jeeps, Uniformen oder Verpflegung. Die Behauptung, dass die Bemühungen, bis zur Invasion in Frankreich eine Konservatorentruppe auf die Beine zu stellen, eher langsam anliefen, wäre eine Untertreibung gewesen.
Zudem war die Größenordnung des Unternehmens zu bedenken. Stout hatte Sachs empfohlen, jedem Offizier einen Stab aus 16 Mitarbeitern an die Seite zu stellen, doch es zeigte sich immer deutlicher, dass für die gesamte MFAA-Operation in Nordwesteuropa keine 16 Männer zur Verfügung stehen würden. Stout wusste, es war nicht einfach, die Militärbürokratie zur Zuteilung von Personal zu bewegen, insbesondere wenn diese gerade die wichtigste Operation in der Weltgeschichte vorbereitete. Und er war überzeugt, dass Paul Sachs qualifiziertere Männer kannte. Er hatte schließlich den Großteil der jungen amerikanischen Museumskuratoren ausgebildet. Aber Stout konnte die Männer an den Händen abzählen, die für die Feldarbeit an den Kulturgütern vorgesehen waren. Rorimer, Balfour, LaFarge, Posey, Dixon-Spain, Methuen, Hammett. Am Ende, wenn die Offiziere mit ihren Papieren erschienen, würde die MFAA vielleicht über 12 Männer verfügen. An dem Messetisch während seiner Überfahrt nach England hatten mehr Männer gesessen – und das war nur ein Schiff von tausend gewesen, und darauf wurden am Tag hundert Messetische bedient.
Er dachte an die gegenwärtigen Monuments Men, die für ein Porträtfoto auf einem sonnigen Hügel vor ihrer Basis in Shrivenham saßen.
Geoffrey Webb, ihr kommandierender Offizier, ein großer und schlanker Mann, über 50, Slade-Professor in Cambridge und einer der bedeutendsten Kunstgelehrten der britischen Inseln.
Neben ihm saßen die Briten Lord Methuen und Geschwaderführer Dixon-Spain, beide Teilnehmer am Ersten Weltkrieg.
Der Jüngste im britischen Kontingent war Ronald Balfour, ein kleiner Mann mit schütterem Haar, Anfang 40, Historiker am King’s College in Cambridge – ein Kollege von Geoffrey Webb aus Cambridge, der aufgrund von dessen Empfehlung zur MFAA kam. Stout und Balfour teilten sich ein Zimmer in Shrivenham, und Stout war sogleich von seiner klar denkenden Art und seinem großzügigen und liebenswürdigen Wesen angetan gewesen. Der gläubige Protestant konzentrierte sich in seinen Forschungen auf kirchliche Themen und kam
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