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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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deren bewegliche Kunstobjekte zu konfiszieren. Andere NS-Funktionäre behaupteten, die Kunstwerke seien unsachgemäß gelagert und müssten daher nach Deutschland gebracht werden, um sie zu schützen. Wolff-Metternich widerlegte solche Behauptungen durch persönliche Inspektionen. Joseph Goebbels forderte die Herausgabe von fast eintausend »germanischen« Kunstobjekten, die sich in den französischen Staatssammlungen befanden. Wolff-Metternich war ebenso wie Goebbels der Auffassung, dass viele dieser Gegenstände rechtmäßig Deutschland gehörten; er teilte jedoch nicht die Ansicht des Propagandaministers, dass diese Objekte unverzüglich in ihr Heimatland zurückgeführt werden müssten. »Ich habe nie verschwiegen, dass ich dies für ein schwieriges Problem hielt«, schrieb er, »welches das Ehrgefühl vieler Menschen tief berührt, sodass es nur im Rahmen einer Friedenskonferenz durch eine Vereinbarung gleichberechtigter Nationen gelöst werden kann.«
    »Er setzte seine Position aufs Spiel, vielleicht sogar sein Leben«, hatte Jaujard bei einem früheren Treffen mit Rorimer erzählt, bei dem er den deutschen Kunstschutzbeamten lobte. »Er widersetzte sich Goebbels auf die einzig mögliche Art und Weise, indem er den Führerbefehl vom 15. Juli 1940 sehr eng auslegte, in dem die Verschiebung von Kunstwerken in Frankreich vor der Unterzeichnung eines Friedensvertrags untersagt worden war. Durch diesen Befehl sollten französische Patrioten davon abgehalten werden, Kunstwerke zu verstecken, bevor die Deutschen Anspruch darauf erheben konnten, aber Wolff-Metternich bezog diesen Befehl klugerweise auch auf seine deutschen Landsleute. Ohne dieses Prinzip, das hier begründet worden war, hätte keine Hoffnung bestanden.«
    »Wir haben nicht einfach ›Nein‹ gesagt. Ein klares ›Nein‹ hätte nur Goebbels’ Zorn hervorgerufen. Wir haben immer ›Ja‹ gesagt«, erzählte Jaujard, »aber es gab immer irgendwelche Einzelheiten, die noch geklärt werden mussten. Die Nazis waren – wie man so schön sagt – versessen auf Papier. Sie waren sehr bürokratisch. Sie konnten keine Entscheidung treffen, ohne fünf oder sechs Briefe nach Berlin zu schicken.«
    Jaujard wollte damit zum Ausdruck bringen, dass er im Zusammenwirken mit Wolff-Metternich die Gefahr, die den französischen Staatssammlungen von den deutschen Besatzern drohte, durch an die tausend Briefe abgewendet hatte. Er wollte nicht zugeben, wie schwierig diese Aufgabe gewesen war: die jahrelangen Bemühungen, sich gegen gewaltsame Übergriffe zu schützen, die Bedrohung durch Gewalt, der Geheimcode, den Jaujard zusammen mit einem Freund entwickelt hatte, der ihn aus Paris hätte hinausschleusen sollen, wenn die Nazis eines Tages gekommen wären, um ihn zu verhaften. Die vielen Anrufe bei Wolff-Metternich in der Nacht, in denen er ihn drängte, sofort zu kommen und irgendwelchen deutschen Plünderern die entsprechenden Dokumente vor die Nase zu halten, ein Drängen, dem Wolff-Metternich stets nachgab, obwohl er unter Nierenproblemen litt. Seine Krankheit hätte ihn eigentlich zur Aufgabe seines Amtes bewegen müssen, aber er harrte aus – »in erster Linie, weil die französische Kunstverwaltung Vertrauen in meine Person setzte.« 101
    Und Rorimer konnte auch nicht wissen – weil Jaujard nie darüber sprach –, dass der Museumsdirektor nicht nur Einfluss bei den Deutschen gehabt hatte, dass er ein Netzwerk von Museumsmitarbeitern aufgebaut hatte, die als seine Späher tätig waren, dass einer seiner engsten Weggefährten, der Kunstmäzen Albert Henraux, ein aktives Mitglied des französischen Widerstands war. Jaujard verschaffte Henraux Reisepässe und Beglaubigungsschreiben von Museen, womit er seine Arbeit für die Résistance bemänteln konnte. Henraux übermittelte Informationen, die Jaujards Museumsspione beschafft hatten, an die Widerstandskämpfer. Und Wolff-Metternich wusste mit hoher Wahrscheinlichkeit darüber Bescheid. Er setzte seine Karriere aufs Spiel, vielleicht auch sein Leben, hatte Jaujard gesagt. Diese Aussage galt für beide Männer.
    Der »gute Deutsche«, wie Rorimer ihn nannte, wurde im Juni 1942 von seinem Posten abberufen, nachdem er Goebbels, der Ende 1941 seine Versuche aufgab, die tausend »germanischen« Objekte zu beschlagnahmen, eine letzte Niederlage bereitet hatte. Wolff-Metternichs Abberufung wurde mit seinem öffentlichen Widerstand gegen den dreistesten Raub der Besatzer begründet: die Beschlagnahme des Genter Altars in

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