Monuments Men
Keller des Louvre befand, war es ein bürokratischer Albtraum gewesen, die Zustimmung für eine öffentliche Zurschaustellung des Kunstwerks zu erhalten. Rorimer hatte beim amerikanischen Militär und der französischen Regierung alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber in Bayeux hatten nach wie vor jene Beamten das Sagen, die gewöhnlich nicht erlaubten, dass der Teppich außerhalb der Stadt ausgestellt wurde.
»Ein junger Beamter ist losgefahren, um die Genehmigung einzuholen. Mit dem Fahrrad, ob Sie’s glauben oder nicht. Das ist eine Strecke von 260 Kilometern.«
»Immerhin gibt es noch Beamte mit Pflichtbewusstsein«, entgegnete Jaujard, aber es klang nicht verbittert. Dass man mit einer völlig überlasteten Verwaltung zusammenarbeiten musste, war im gerade befreiten Frankreich an der Tagesordnung. »Da wir gerade davon sprechen«, sagte er, als er den Empfangsbereich seines Büros betrat. »Ich möchte Sie gern mit Mademoiselle Rose Valland bekannt machen.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, sagte Rorimer, als die Frau aufstand, um ihn zu begrüßen. Sie war wohlproportioniert, nicht dick, aber kräftig, und mit ihren 1,65 Meter etwas größer als ihre Geschlechtsgenossinnen. Sie war nicht besonders attraktiv, musste Rorimer feststellen, ein Eindruck, der durch ihre graue, eintönige Kleidung noch verstärkt wurde. Ihre Haare waren zu einem Knoten gebunden, wie bei einer gütigen Tante, aber ihr Mund war verkniffen. Das Wort „Matrone“ kam ihm in den Sinn. Aber in ihren wachen braunen Augen lag eine unerwartete Entschlossenheit, als sie den amerikanischen Monuments Man betrachtete, was auch hinter ihrer dicken Brille nicht zu übersehen war.
»James Rorimer, vom Metropolitan«, sagte Rorimer und streckte ihr seine Hand entgegen. »Und von der United States Army.«
»Ich weiß, wer Sie sind, Mr. Rorimer«, entgegnete Valland. »Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, Ihnen dafür zu danken, dass Sie sich so sehr um das Jeu de Paume gekümmert haben. Es ist ungewöhnlich, dass ein Amerikaner die Sorgen und Nöte von Franzosen so ernst nimmt.«
Rorimer erkannte plötzlich, dass er ihr schon einmal begegnet war, in einer kleinen Außenstelle des Louvre namens Jeu de Paume im hintersten Winkel der Tuilerien. Das Gebäude war unter Napoleon III. als Tennishalle errichtet worden – für das jeu de paume, wie dieser Sport damals genannt wurde –, war dann jedoch umgewandelt worden in einen Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst. Die US-Armee hatte erwogen, das Gebäude als Postamt zu nutzen; Rorimer hatte in intensiven Besprechungen, die mehrere Tage dauerten, erfolgreich darauf hingewiesen, dass es Teil des Louvre war und daher geschützt sei.
»Mademoiselle Valland hat das Museum geleitet«, erläuterte Jaujard. »Sie blieb dort während der deutschen Besatzung auf mein Drängen hin weiter als Angestellte der französischen Regierung beschäftigt.«
»Das muss eine wenig erfreuliche Arbeit gewesen sein«, sagte Rorimer. Er dachte daran, wie man ihm in Paris die deutsche Besatzungszeit beschrieben hatte: Es gab kein Fleisch, keinen Kaffee, kein Heizöl und auch fast keine Zigaretten. Verzweifelte Menschen pflückten Haselnüsse von den Bäumen in öffentlichen Anlagen, um nicht zu verhungern, und verwendeten Blätter und Zweige als Heizmaterial für ihre Öfen. Frauen nähten neue Handtaschen aus drei oder vier alten. Hölzerne Schuhsohlen wurden zu neuen Absätzen umgearbeitet. Es gab eine Paste, die den Anschein erweckte, man würde Seidenstrümpfe tragen, die in Wirklichkeit gar nicht mehr erhältlich waren. Manche Frauen zogen sich über die hintere Seite ihrer Beine hinab schlicht einen schwarzen Strich, um einen Saum vorzutäuschen, und beklagten sich dann über die Anzüglichkeiten und Annäherungsversuche der deutschen Soldaten. »Warum konnten sie denn nicht einfach zum Montmartre gehen?«, hatte eine Frau auf einem der Schwarzmärkte gefragt, die nun jenen offen standen, die Geld und Kontakte hatten. Wegen der häufigen Stromausfälle hatten Bordelle und Vergnügungslokale im Rotlichtviertel einfach ihre Dächer entfernt und ließen das Sonnenlicht hereinfallen. Die Prostituierten waren viel beschäftigt gewesen, aber Rorimer vermutete, dass auch sie Grund zur Klage über die Deutschen hatten.
Rose Valland klagte nicht. Sie lächelte nur und sagte: »Wir mussten alle unsere Arbeit tun.« Sie hatte anscheinend wirklich viel zu tun, denn schon eine Minute später entschuldigte sie sich
Weitere Kostenlose Bücher