Monuments Men
dem Lager bei Pau, die auf Hitlers direkten Befehl erfolgte. In Wirklichkeit hatten mehrere führende Nationalsozialisten, insbesondere Reichsmarschall Hermann Göring, die Nummer zwei in der Partei, seit Monaten Wolff-Metternichs Position untergraben. Sie behaupteten, seine Arbeit diene »ausschließlich französischen Interessen« 102 , zudem wurde gegen ihn angeführt, dass er Katholik war. Das eigentliche Problem bestand darin, dass Wolf-Metternich nicht ihren Erwartungen gerecht wurde. Der Kunstschutz sollte ihren Aktivitäten einen gewissen legalen Anstrich verleihen. Sie wollten auf diesem Posten einen Mann sehen, der die Vorschriften und Regeln zum Nutzen des Reiches beugte, aber dazu war Graf Wolff-Metternich nicht bereit. Am Ende war er »eine verlorene Seele im Wespennest der Hitler-Bande«. 103
Kurze Zeit später kostete Jaujards heftige Kritik am Raub des Genter Altars auch ihn seinen Posten. Aus Protest gegen seine Entlassung kündigten die Mitarbeiter der französischen Museen massenhaft. Daran zeigte sich, welch hohes Ansehen Jacques Jaujard in der französischen Kulturgemeinde genoss. Die Deutschen waren verblüfft, und Jaujard durfte in sein Amt zurückkehren. Danach war seine Position nahezu unantastbar. Am Ende konnten sich die Deutschen nur zwei Objekte aus den französischen Staatssammlungen aneignen, die beide deutschen Ursprungs und von mittelmäßiger Bedeutung waren.
Aber dennoch war es kein vollständiger Sieg. Die französischen Staatssammlungen befanden sich in Sicherheit, aber die privaten Sammlungen französischer Bürger waren den Raubzügen der Nazis schutzlos preisgegeben: Himmler und seine Waffen-SS, Rosenberg und sein Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR). Und der Schlimmste von allen war Reichsmarschall Hermann Göring, der als eine permanente Bedrohung stets über allem schwebte.
Als er nun hier vor der leeren Wand von La Joconde stand, erinnerte sich Rorimer daran, was Jaujard über Göring gesagt hatte: Er war habgierig, unersättlich und zügellos. Ein Mann, der keinen Widerstand duldete und in seinem Streben nach persönlicher Macht und persönlichem Reichtum keine ethischen oder moralischen Skrupel kannte. Ein Mann, der angesichts der kulturellen Schätze eines Landes wie Frankreich an nichts anderes dachte als an Plünderung und Raub.
»James!« Das Wort, das an den leeren Wänden der Grande Galerie widerhallte, riss Rorimer aus seinen Gedanken. Er wandte sich von der Nische ab, in der einst die Mona Lisa gehangen hatte, und sah, dass kein Geringerer als Jacques Jaujard, der Wächter des Louvre, auf ihn zukam. Er war immer wieder überrascht, wie gut der Franzose nach all diesen schlimmen Jahren aussah.
»Ich bin so froh, dass mein Anruf Sie erreicht hat«, sagte Jaujard und klopfte dem Monuments Man auf die Schulter.
»Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Jacques«, erwiderte Rorimer und ergriff die Hand des älteren Mannes. »Und diesmal habe ich gute Nachrichten. Der Papierkram ist erledigt. Der Teppich gehört Ihnen. Zumindest für ein paar Wochen.«
»Bürokraten.« Jaujard lachte, drehte sich um und deutete zu dem Gang, der zu seinem Arbeitszimmer führte. Der Mann hat überhaupt nicht nachgelassen, dachte Rorimer. Jaujard hatte nicht nur ein Büro im Louvre, auch seine Wohnung lag im Museumskomplex. Rorimer fragte sich, ob er in den vier Jahren der deutschen Besatzung das Gebäude überhaupt jemals verlassen hatte. Oder in dem Monat seit der Befreiung. In den ersten aufgeheizten Tagen war eine aufgebrachte Menge über die deutschen Gefangenen hergefallen, die in einem Lager neben dem Louvre untergebracht waren. Überzeugt, dass sie gelyncht werden sollten, hatten die Deutschen die Fenster des Louvre eingeschlagen und sich in das Museum geflüchtet. Später fand man sie verstreut zwischen den Kunstobjekten, die nicht ausgelagert worden waren, einige versteckten sich auch in der violetten Beisetzungsvase des ägyptischen Herrschers Ramses III., die aus Granit bestand. Die rachsüchtige Meute stieß auch auf einen Kurator, der einen verwundeten Deutschen ins Lazarett bringen wollte; das galt als Beweis genug, um alle Mitarbeiter des Museums als Verräter und Kollaborateure zu brandmarken. Wie sonst konnte man erklären, dass sie überlebt hatten und dass die Kunstobjekte, die sie bewacht hatten, unversehrt geblieben waren? Keine andere Einrichtung war so gut durch die Besatzungszeit gekommen.
Jaujard und seine loyalen Mitarbeiter – darunter auch seine
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