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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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sie hatte ihn ehrlich willkommen geheißen und als perfekte Gastgeberin dafür gesorgt, daß er sich wie ein geschätzter Gast fühlte. Sie war das ideale Gegenstück zur allgemeinen Schroffheit ihres Mannes.
    Er stimmte in das Lachen ein, als Duxbury seine Geschichte mit einer gelungenen Pointe beendete - und ihnen allen kaum Zeit ließ, sich zu erholen; mit Feuereifer gab er bereits die nächste zum besten. Childes griff nach seinem Weinglas und hob es, und in diesem Augenblick glaubte er, ein Schimmern im Glas zu sehen. Er blinzelte, starrte in die helle Feuchtigkeit. Er hatte sich geirrt: es mußte eine Spiegelung gewesen sein. Childes nippte an seinem Wein und gerade, als er das Glas wieder abstellen wollte, schien sich darin etwas zu bewegen. Er starrte wieder hinein, eher verwirrt als besorgt.
    Nein, nur Wein darin, nichts sonst, nichts, was vielleicht... Nichts, was...
    Ein Bild. Aber nicht im Glas. In seinen Gedanken,
    Ringsum unterdrücktes Kichern; Duxbury schmückte seine Geschichten aus.
    Das Bild war unwirklich, unscharf, wie der Alptraum, etwas schimmernd Verschwommenes. Childes stellte das Weinglas ab; seine Hand zitterte. Da war ein eigenartiges Gefühl in seinem Nacken, wie von einer Hand - einer eiskalten Hand, die sich dort zusammenzog. Er starrte in den Wein.
    Amy kicherte in übermütiger Vorfreude; natürlich ahnte sie, daß sich Duxburys Geschichte zu einer etwas gewagten Pointe aufbaute.
    Das Trugbild hatte sich in verschiedene Bilder aufgeteilt. Sie wirbelten empor, ihm entgegen, und sie wurden deutlicher... immer deutlicher. Plötzlich war es erstickend heiß im Raum, Childes' linke Hand fuhr instinktiv zum Hemdkragen, um ihn zu lockern.
    Grace Duxbury hatte die Geschichte ihres Mannes bereits bei zahlreichen anderen Anlässen und in anderer Gesellschaft gehört; sie kannte die Pointe, und sie bebte bereits vor Verlegenheit.
    Childes' Blick hatte sich nach innen verlagert; er starrte auf diese Szenerie in seinen Gedanken, auf dieses Ereignis, das alle Begrenzungen des Raumes überstieg und doch in ihm war. Er schien näher an das ätherische Tun heranzutreiben, schien integriert zu sein, Teilnehmer zu werden - und blieb dennoch nur Zuschauer. Lockeres
    Erdreich wurde aufgewühlt.
    Victor Platnauers krächzendes Kichern wirkte anstek-kend; und Vivienne Sebire ertappte sich dabei, daß sie lachte, noch bevor die Geschichte zu Ende war.
    Stumpfe, stummelartige Finger, in feuchte Erde gegraben. Auf Holz kratzend. Die Anstrengung steigerte sich, wurde zu rasender Gier. Das Holz wurde vom Erdreich befreit; jetzt war die Form zu erkennen. Schmal. Rechteckig. Klein. Childes fror; er verschüttete Wein.
    Vigiers hatte es bemerkt und starrte Childes über den Tisch hinweg an.
    Der Sargdeckel wurde zerschmettert; unter den zornigen Axthieben wirbelten Holzsplitter beiseite. Bizarre Stücke wurden weggerissen, das Loch vergrößert. Der winzige Körper war zu sehen; die Gesichtszüge undeutlich in der Düsternis. Childes' Hand krampfte sich um das Glas. Der Raum bewegte sich, er bekam kaum Luft.
    Der unsichtbare Druck auf seinem Genick nahm zu, ein Quetschen, wie von einem Schraubstock.
    Für einen winzigen Sekundenbruchteil hielten die Hände, die für Childes fast wie die eigenen wirkten, inne; für einen winzigen Sekundenbruchteil war es, als hätte der Schänder etwas gespürt... gemerkt, daß er beobachtet wurde. Als hätte er ihn, Childes, bemerkt. Etwas tief in seinem Geist wurde kalt berührt. Der Augenblick verging.
    Tilly Platnauer wußte sehr wohl, daß es sich nicht gehörte, sich an einer derartigen Geschichte zu erfreuen, aber andererseits - Duxburys derbe Wiedergabe war so unwiderstehlich. Ihre Schultern bebten vor Heiterkeit.
    Der kleine Leichnam wurde aus dem mit Seide ausgeschlagenen kleinen Sarg herausgezerrt, und jetzt konnte Childes die winzigen offenen Augen sehen, Augen ohne jede Tiefe - ohne jede Lebenskraft. Der Junge wurde neben der Grube ins Gras gelegt, und der Nachtwind plusterte seine Haare auf und wehte einzelne Strähnen über das gleiche, glatte Gesicht... und erweckte die Illusion von Lebendigkeit. Die Kleider wurden losgeschnitten und zur Seite gezogen, so daß der Körper nackt war für die Nacht, weißer stiller Marmor.
    Metall funkelte im schwachen Mondlicht. Senkte sich. Drang ein.
    Schnitt.
    Das Weinglas zersprang, und Blut und Wein spritzten über das Tischtuch, und Childes fuhr hoch, stieß seinen Stuhl um, überragte sie alle schwankend, und seine Augen

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