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Moonlit Nights

Moonlit Nights

Titel: Moonlit Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Mueller
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seiner Leiche auch nichts anderes mehr anzufangen
gewesen war. Vielleicht wussten sie auch nicht, welche Sarggröße
sie auswählen sollten. Die Größe, die Tyler zu Lebzeiten
gebraucht hätte, oder die Größe, die ihm nach dem Unfall
vermutlich reichte. Emma! So etwas solltest du nicht denken! Ich
musste gar nicht über Kyle meckern. Besonders feinfühlig schien
ich auch nicht zu sein. Langsam ließ der Pfarrer die Urne hinein
und sprach erneut ein paar rührende Worte. Alle Anwesenden
schnieften und schnäuzten sich in ein Taschentuch. Selbst mir lief
eine Träne über die Wange. Ich stand etwas abseits. Ich hatte
mich extra nach hinten gestellt, um den Angehörigen und besser
mit Tyler Befreundeten den Vortritt zu lassen. Da hörte ich hinter
mir jemanden jämmerlich weinen. Verwundert drehte ich mich
um. Ich dachte, ich würde ganz hinten stehen? Liams Schwester
lehnte an einem Baum, die eine Hand voll zerknüllter
Taschentücher, in der anderen hielt sie eine langstielige, weiße
Rose. Sie weinte. Dicke Krokodilstränen liefen in Strömen über
ihre glatte Haut. Wieso kümmerte sich denn keiner um sie?
Niemand schien sie auch nur ansatzweise bemerkt zu haben,
obwohl ich mir sicher war, dass sie am lautesten weinte. Ich
überlegte, ob ich zu ihr gehen sollte. Sie sah so verloren aus. Ihre
Augen waren voller Trauer. Von dem wilden, wütenden Blick,
den ich damals in der Schule gesehen hatte, war nichts mehr
übrig. Ich hatte nicht den Eindruck gehabt, dass Liams Schwester
mich besonders gut leiden konnte, doch ich konnte sie jetzt nicht
einfach so da stehenlassen. Irgendwie waren wir ja jetzt eine
Familie und sie schien Tyler wirklich gemocht zu haben.
Vorsichtig näherte ich mich ihr, doch sie merkte es gar nicht.
Genauso gut hätte ich mich an einen Stein heranschleichen
können. Er hätte vermutlich ähnliche Reaktionen gezeigt –
nämlich gar keine. Liams Schwester starrte apathisch auf das
Grab und fummelte an einem Taschentuch. »Faith?«, fragte ich
vorsichtig, als ich mich auf zwei Meter herangepirscht hatte. Faith
hob den Kopf und schaute mich mit traurigen Augen an. »Geh
weg!«, knurrte sie mir entgegen, doch durch das Schluchzen klang
die Drohung mehr als erbärmlich, sodass ich sie nicht ernst
nehmen konnte. Ich ging zu ihr, nahm sie in die Arme und drückte
sie fest an mich. Ich war nicht besonders gut im Redenschwingen
und ich wusste auch nicht, was ich zu jemandem sagen sollte, der
seinen Freund verloren hatte. Ich wollte ihr einfach zeigen, dass
sie hier nicht allein stand. Dass jemand da war, der ihr Trost
spendete. Manchmal war es eben besser, einfach nichts zu sagen.
Schwungvoll schubste Faith mich zu Boden. »Geh weg!«,
wiederholte sie. Ihre Stimme klang schon wieder etwas klarer –
weniger zittrig, dafür umso wütender. Zuerst ärgerte ich mich
über ihr Verhalten. So behandelte man keinen, der einem helfen
wollte. Doch andererseits: Diese Faith kannte ich eher. Das hieße
wohl, sie war wieder etwas gefasster, auch wenn sie immer noch
wie ein Häufchen Elend aussah.
Während ich immer noch auf der matschigen Wiese saß, drängelte
sich Faith durch die Trauergemeinde, warf ihre Rose in das Grab
und stolzierte davon, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen.
Bei Gelegenheit würde ich Liam fragen, was sie eigentlich gegen
mich hat. Wenn Liam und ich länger zusammenblieben, was ich
doch sehr hoffte, hätte ich gerne ein besseres Verhältnis zu meiner
Schwägerin. Apropos Liam. Ich sah mich um. Meine
Klassenkameraden standen teilweise noch am Grab, manche
waren aber auch schon nach Hause gegangen. Ich würde wohl
nicht negativ auffallen, wenn ich nun ebenfalls nach Hause ging.
Nach Hause? Nein. Ich ging jetzt zu Liam. Ich hatte in der Pause
alle meine Notizen kopiert, um meinen Vorwand glaubhafter zu
machen und stiefelte los.
Der Friedhof war nicht weit von Liams Haus entfernt. Ich ging die
blitzblanke Marmortreppe hinauf und klingelte. Wer die Treppe
wohl ständig so akribisch putzte? Sie hatten bestimmt eine
Putzfrau. Liams Mutter öffnete einen Spalt die Haustür. »Was
willst du?«, empfing sie mich unfreundlich. Ich schluckte.
Florence war eine überaus einschüchternde Person und sie schien
das zu wissen. Jedenfalls wusste sie ihr Talent exakt einzusetzen.
Ich wedelte unsicher mit den Kopien. »Liam war ja die ganze
Woche nicht in der Schule. Ich wollte ihm den Stoff
vorbeibringen, den wir durchgenommen

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