Moonlit Nights
haben.«
»Er ist krank«, antwortete sie darauf und wollte mir die Tür vor
der Nase zuknallen. Glücklicherweise kam Liams Vater dazu.
»Emma! Schön dich zu sehen.« Wie aus einem Munde gaben
Florence und ich ein verblüfftes »Ja?!« von uns. »Sie hat mit
Liam sicher viel zu bereden.« Wir haben viel miteinander zu
bereden? Und ob – aber ob sein Vater auch wusste, worüber?
Sanft streichelte er Florences Nacken. Sie schien sich etwas zu
beruhigen, knurrte aber leise. »Sei froh, dass sie zu uns
gekommen ist und jetzt nicht bei der Polizei sitzt.« Wussten
Liams Eltern etwa, dass er ein Werwolf war? Den Andeutungen
nach zu urteilen, scheinbar schon. Und trotz allem liebten sie ihn,
genau wie ich. Allerdings fragte ich mich, wer Liam wohl
gebissen hatte. Widerwillig, und immer noch leise knurrend, gab
Florence die Tür frei und ließ mich eintreten. Harry führte seine
Frau in die Küche, ließ sie Platz nehmen und massierte ihr den
Nacken. Das Knurren verstummte. Vorsichtig ging ich die Treppe
hinauf und klopfte zaghaft an Liams Zimmertür. »Was!«, pampte
er mir entgegen. Zögernd hielt ich die Klinke in der Hand. Was,
wenn er mich gar nicht sehen wollte? Mir wurde ganz mulmig
zumute. Das ist doch albern, sagte ich zu mir selbst. Ich konnte es
schließlich die ganze Woche nicht erwarten, Liam wiederzusehen.
Und jetzt traute ich mich nicht in sein Zimmer? Ich nahm allen
Mut zusammen und trat ein. Liam lag malerisch auf seinem Bett
und hatte Kopfhörer im Ohr. Die Musik war so laut gestellt, dass
ich ohne Weiteres mithören konnte. Wie hatte er mich nur klopfen
hören können? Liam blickte mich mit immer größer werdenden
Augen an. »Hey«, flüsterte ich, immer noch in Angst vor einer
Abweisung. »Emma!« Liams Mund klappte auf und er nahm
seine Kopfhörer ab. Dann sprang er mit einem Satz leichtfüßig
vom Bett und nahm mich in die Arme. Ein bisschen zu heftig. Ich
verlor mein Gleichgewicht und kippte gegen ihn, doch Liam
schien das nicht zu stören. Er presste mich an seine warme Brust
und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Einen tiefen
Atemzug nehmend, seufzte ich. Wie hatte ich ihn vermisst! »Ich
hätte nicht geglaubt, dass ich dich wiedersehe«, murmelte er in
mein Haar und hielt mich immer noch fest. »Du zerquetscht mich
…«, war das Einzige, was ich unter seiner erdrückenden Kraft
hervorbrachte. Er ließ etwas lockerer. Seine Arme waren nicht
mehr so schraubzwingenartig um mich geschlungen wie bisher,
doch noch weit entfernt davon, loszulassen. Ein Gefühl von tiefer
Beruhigung durchflutete mich. Er hatte mich also auch vermisst.
Und der Umarmung nach zu urteilen, mindestens ebenso stark wie
ich ihn. Ich kuschelte mich zufrieden an seine starke Brust. Mit
einer gekonnten Bewegung hob er mich hoch und trug mich zum
Bett. Sanft setzte er mich ab und sich daneben, immer noch an
seine Brust gedrückt. Ich genoss diese innige Berührung. Solch
eine Nähe hatte er schon lange nicht mehr zugelassen. »Krank
siehst du aber nicht aus«, rügte ich ihn, als ich Liam so
putzmunter erlebte. Dafür hatte er mich also eine Woche allein
zur Schule gehen lassen. Das wäre sicher ein Grund zum Ärgern
gewesen, wenn der Tsunami der Glückgefühle, der meinen
Körper durchflutete, nicht so übermächtig gewesen wäre, dass er
jegliches Negative vernichtete. Schuldbewusst schaute Liam auf
mich herunter. »Ich hab’ mich nicht getraut. Ich wusste ja nicht,
wie du nach … allem … reagieren würdest …«, nuschelte er
kaum hörbar in mein Haar. »Wie geht’ s deiner Schulter?«, fragte
ich so lässig wie möglich, um ein lockeres Gespräch zu eröffnen,
denn ich merkte, dass Liam sich schon wieder verspannte. Mein
Gesicht hatte ich dabei an sein Hemd gekuschelt. Liam hatte
keinen Verband um, den hätte ich durch den dünnen Stoff gespürt.
Er schien auch keine Schmerzen zu haben, dafür bewegte er sich
zu unbefangen. Ich dachte daran, wie Liam aufgejault hatte, als
die Kugel ihn traf. Allein die Erinnerung an diesen
markerschütternden Ton verursachte mir Gänsehaut. Ich dachte
daran, wie er zurück in den Wald gehumpelt war, nachdem David
ihn angeschossen hatte. Wie das Blut von seiner Schulter getropft
war. Das konnte doch gar nicht möglich sein, dass das keine
Spuren hinterlassen haben sollte. »Mir geht’ s prima.« Er zögerte
kurz. »Die Frage ist doch eher, wie es dir geht, oder?«
Bekümmert schaute er unter seinen langen, dichten
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