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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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die die Kundgebung unterstützten – dem
Bund der Menschen für die Rechte der Anderen
und dem
Familien-Aktionskomitee für nichtmenschliche Arbeiter
. Ich nahm allerdings nur selten an den Versammlungen teil, da ich mit meinen einunddreißig anderen Gesellschaften schon genug zu tun hatte. Daddy meint, dass ich eine Streberin sei, Aileen dagegen hält mich für einen weichherzigen Trottel. Ich bin mir sicher, dass sie sich eine Menge zu erzählen hätten, wenn die Welt implodieren würde und die zwei sich treffen würden.
    Ich stand neben Iris Tomkins, einer Frau, deren Engagement für fortschrittliche Angelegenheiten ähnlich groß war wie ihr Körperumfang. Sie gehörte zu der kleinen Gruppe ortsansässiger Aktivisten, die in der New Yorker Elite einiges Ansehen genossen. Zwar auf der untersten Stufe, aber Iris spielte ihre Rolle als Dame der Gesellschaft sehr überzeugend und mit Leib und Seele. Ich mochte sie, vor allem, weil sie meine Meinung über die tendenziell ausschweifenden und unglaublich langatmigen Diskussionen auf den Treffen der Suffragetten teilte. Sie bezeichnete sich selbst als eine anarchisch-feministische Angehörige der feinen Gesellschaft – quasi Emma Goldman, die bekannte Anarchistin und Friedensaktivistin, gepaart mit einem Spritzer Oscar Wilde. Im Augenblick machten ihre grölenden Rufe, »Jimmy, gib grünes Licht – Nachtarbeit lohnt sich sonst nicht!«, meine gequälten Anstrengungen überflüssig.
    Irgendwann gab ich einfach auf und bewegte nur noch die Lippen. Es schien, dass meine Fähigkeiten, einem Vampir gegenüberzutreten, furchtbar eingerostet waren. Früher, als ich noch mit Daddy oder Troy zusammengearbeitet hatte, war ich nach einer Auseinandersetzung nie so angeschlagen gewesen. Natürlich hatte ich auch nie mutterseelenallein in einer Höhle voller Vampire gestanden. Ich war nie von jemandem bedroht worden, den ich seit mehr als einem Jahr zu kennen glaubte, und ich hatte nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, mit der Gefahr zu flirten, die von einem so mächtigen Vampir ausging.
    Der gute alte Jimmy musste gegen ein Uhr auf dem Weg zu seinem Wagen an uns vorbei. Zu dem Zeitpunkt waren bereits zahlreiche Vertreter der Presse anwesend, standen zwischen uns, schossen Fotos und machten sich eifrig Notizen. Ich war in der vordersten Reihe, die rechte Hand gefangen in Iris’ kräftigem Ellbogen, während ich mit der linken die Ecke eines Transparentes hochhielt, auf dem zu lesen war:
     
    Jimmy, würden
Sie
für
50
 Cent pro Nacht arbeiten
?
     
    Iris hatte offenbar beschlossen, meine mangelnde Begeisterung mit ihrer auszugleichen, die sie korrekterweise als ausreichend für zwei einschätzte. Ihre Stimme war so durchdringend, dass sie die Sprechchöre praktisch sang. Ich lehnte mich an sie und war dankbar für den Halt. Heute Morgen hatte ich glatt vergessen, etwas zu essen, dabei hatte ich Hunderten von Mittellosen das Frühstück serviert.
    »Geht es Ihnen gut, meine Liebe?« Iris hatte mittendrin aufgehört zu rufen und sah mich fragend an.
    Ich straffte augenblicklich die Schultern und wartete darauf, dass sich der weiße Nebel vor meinen Augen verzog. »Oh, Entschuldigung. Ich glaube, ich bin nur ein bisschen hungrig.«
    Sie nickte mitfühlend und tätschelte mir die Hand. Zum Glück blieben mir die Vorhaltungen über meine jämmerlichen Essgewohnheiten erspart, da in diesem Moment »Beau Jimmy« Walker, der »Nachtbürgermeister« von New York höchstpersönlich, gerade mal zwei Schritte von uns entfernt stand.
    Eines musste man ihm lassen: Er wusste, dass wir ihn hassten, und er sah auch die gierige Pressemeute, aber es schien, als würde die Situation ihn nicht im Geringsten aufregen. Er ließ sich Zeit, als er die Treppe hinunterging, unterhielt sich mit seinen Beratern und wechselte lächelnd mit jedem, der ihn ansprach, ein paar Worte. Er ignorierte uns auch nicht, sondern blickte sich einfach zu beiden Seiten um und winkte, als wären wir eine Art Begrüßungskomitee. Was vermutlich gar nicht mal so abwegig war.
    Er war ein beliebter Bürgermeister. Ein gutaussehender, gerissener Dilettant in einem Zeitalter, in dem die äußerst kreative Suche nach Muße und Ablenkung zur Kultur der gesamten Nation geworden zu sein schien. Auch wenn die Sterblichkeitsrate von Kindern in einigen Gegenden der Lower East Side und Harlems sogar Gott die Tränen in die Augen trieb und auch wenn die
Anderen
und
Neger
noch immer behandelt wurden, als wären sie weniger wert als

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