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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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einem durchschnittlich aussehenden jungen Gentleman zu beginnen, der durch seine diamantenen Manschettenknöpfe und seine handgefertigten Lederschuhe vermutlich um einiges attraktiver wurde.
    Als ich mich zu Amir umdrehte, hatte er sich wieder an den Tisch gesetzt und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten konnte. Er wirkte seltsamerweise fast traurig. Ich lehnte mich gegen die Bühne, wo gerade eine sehr viel größere Band ihre Instrumente aufbaute, und blickte ihn an. Ich fühlte mich etwas mehr Herrin der Situation, wenn ich auf ihn hinabblicken konnte.
    »Sie waren großartig«, sagte er zu meiner Überraschung.
    »Meinen Sie wegen des Krummsäbels?«
    Er lachte. »Nein, ich meine Ihren Gesang.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. »Genau. Natürlich. Äh … Danke.«
    Er schüttelte den Kopf und gab der Kellnerin, die in der Nähe vorbeilief, ein Zeichen. »Einen Gin Tonic, bitte.«
    Als sie mit dem Drink an den Tisch kam, reichte Amir mir das Glas.
    »Ich trinke nicht«, wandte ich ein.
    Das schien ihn zu amüsieren. »Ach, richtig, die unermüdlichen Bemühungen der
Abstinenzbewegung
. Ich dachte, wir könnten gemeinsam anstoßen. Auf die singende Vampirrechtlerin.«
    Er erhob sein Glas. Verwirrt stieß ich mit ihm an und nippte zögerlich an dem Drink. Der Alkohol war so abscheulich, wie ich ihn in Erinnerung hatte, doch meine Kehle fing auf eine nicht unangenehme Art an zu prickeln und wurde warm. Also nahm ich noch ein Schlückchen.
    »Was für ein verflucht blöder Name. Wussten Sie, dass man mich so nennt?«
    »Wer wusste das nicht, meine Liebe? Und jetzt singen Sie! Das ist ein gelungener Streich.«
    Ich starrte finster in mein Glas – das war viel ungefährlicher, als zu lange in dieses Gesicht zu blicken – und nahm einen weiteren Schluck. »Sind Sie so auf mich gekommen?«
    »Ich habe Gerüchte gehört und war neugierig. Sie sind ziemlich widersprüchlich, nicht wahr? Ein Mädchen aus Montana kommt in die Stadt, versucht sich als Dämonenjägerin und erfindet sich dann als Märtyrerin für die Armen und Entrechteten neu.«
    Empört sah ich auf ihn hinunter. Der Alkohol ließ mein verworrenes Verhalten weit weniger folgenreich erscheinen. »Ich habe mich nicht ›neu erfunden‹. Ich bin nicht stolz darauf, dass ich für die
Defender
gearbeitet habe, aber ich habe nie einen Vampir gepfählt, der es nicht ausdrücklich verdient hatte. Ich habe eher versucht, sie zurückzuhalten und zu bändigen.«
    Amir wirkte nachdenklich. »Die Lügen, die wir uns selbst erzählen, damit wir nachts schlafen können«, sagte er leise. »Gut. Wenn Sie das glauben. Trotzdem bin ich froh, dass Sie Ihren Job so gut beherrschen.«
    »Warum? Damit ich jemanden für Sie umbringen kann?« Ich war jetzt ernsthaft wütend, und der Geschmack des Alkohols schien mich nicht mehr zu stören. Stattdessen genoss ich es, wie seine Wärme mein Feuer und meinen Zorn nährte.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich werde derjenige sein, der einen Mord begeht, falls es so weit kommen sollte. Aber Sie wissen, dass ich Ihre Hilfe brauche, um ihn zu finden.«
    »Sie verlassen sich darauf, habe ich recht?« Mein Gott, seine Augen waren aus der Nähe betrachtet so was von dunkel. Sie schienen das Licht um sich herum aufzusaugen und beinahe von selbst zu glühen. Ohne dass ich mir dessen bewusst gewesen wäre, hielt ich mit einem Mal einen neuen Drink in der Hand.
    »Haben Sie jemals jemandem die Hilfe verweigert, der Sie darum gebeten hat?«, fragte er.
    Ein Bild schoss durch meinen Kopf: Amir in einem Pullover und Kniebundhosen, der einen Jungen über der Schulter hängen hatte.
    »Wie geht es dem Jungen?«, fragte ich und setzte mich unvermittelt auf den Stuhl, der ihm am nächsten war. Aileens Schuhe waren zu klein und meine Knie zu zittrig. So nah neben ihm ertappte ich mich dabei, wie ich seinen außergewöhnlichen Duft tief einsog. Ich fragte mich, ob es ihm aufgefallen sein mochte.
    »Er ist in Sicherheit«, erwiderte er.
    Ich verstand, warum er mir nicht mehr verraten wollte – was wir getan hatten, war kriminell genug, um uns beide für Jahrzehnte hinter Gitter zu bringen, falls irgendjemand es je herausfand. »Ist er noch immer …« Ich verstummte, denn ich wollte die Worte »im Blutrausch« nicht benutzen.
    Er zuckte die Achseln. »Sein Zustand ist unverändert.«
    »Ich muss seine Familie finden. Sie sollte zumindest wissen …«
    »Ja. Zumindest das.«
    Als mir klarwurde, wie tief ich in

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