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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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seiner Schuld stand, zog sich mein Innerstes zusammen, und mein Herz begann wild zu hämmern. Vielleicht lag es jedoch auch an dem intensiven Blick, mit dem er mich fixierte. Als wären wir allein in seinem Schlafzimmer und nicht mitten in einem Nachtklub.
    »Er kann nicht älter als elf gewesen sein«, sagte ich. »Wir wissen nicht, ob sie je … zurückkehren, zu sich zurückfinden. Die Kinder. Was passiert, wenn er für immer so bleibt? Was sollen wir tun?« Ich nippte an meinem Drink und stellte erstaunt fest, dass ich das Glas schon zur Hälfte geleert hatte.
Sehr beeindruckend für eine Frau, die eigentlich nicht trinkt, Zephyr.
    Er griff über den Tisch und strich mit den Fingerspitzen über meine Hand. Ich nahm mir einen Moment, um seine dunkle Haut zu bestaunen, die wie ein Milchkaffee gegen meine perlenfarbene Haut wirkte.
    »Zephyr. Was auch immer geschieht, ich werde mich um ihn kümmern.«
    Ich bemerkte die Doppeldeutigkeit in seinen Worten, doch mir waren solche Entscheidungen nicht fremd. Ich nickte. »Also«, sagte ich und zwang mich dazu, locker zu klingen und ihn anzuschauen, »Sie wollen, dass ich Ihnen helfe? Ich denke, Sie sollten mir einen guten Grund nennen, warum ich das tun sollte.«
    Angesichts seines Blickes, der bedächtig über mein Secondhandkleid, die Strumpfhose aus Kunstseide, die abgewetzten Schuhe und das abgenutzte Stirnband aus Spitze wanderte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Mir kam es vor, als würde er in diesem Moment genau abschätzen, wie viel ich wert war.
    »Zweihundert Dollar«, sagte er. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder beleidigt sein sollte. Oder verletzt.
    Ich knallte mein Glas auf den Tisch, und etwas von dem Drink spritzte auf meine Hand. »Sprechen Sie nicht mit mir, als wäre ich irgendeine Edelhure«, sagte ich. »Ich mag vielleicht arm sein, aber ich tue das nicht nur wegen des Geldes.«
    Seine Miene war verwirrt, als er seinen Drink hinunterstürzte. »Meiner Erfahrung nach reicht es für die meisten von euch aus.«
    Ich erhob mich und machte einen ironischen Knicks. »Wir sind Menschen, Amir, keine verdammten … Steinskulpturen. Viel Glück bei der Suche nach jemand anders, den Sie kaufen können.«
    Ich hatte vielleicht drei Schritte gemacht, als er mich grob am Handgelenk packte und mich umdrehte, damit ich ihn ansehen musste. Er wirkte so zornig, dass ich zusammenzuckte und mich von ihm lösen wollte. Sein Griff war unangenehm warm.
    »Rinaldo hat mir etwas weggenommen, das für mich von großem Wert ist.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Mir wurde klar, dass der größte Teil seiner Wut nicht gegen mich gerichtet war. »Ich muss es zurückbekommen. Es hat … Konsequenzen, wenn es mir nicht gelingt. Reicht Ihnen das?«, fragte er.
    Er ließ mein Handgelenk los, und ich starrte ihn an. Es war eigentlich weder eine Entschuldigung noch eine Erklärung, aber es fühlte sich wie ein Friedensangebot an.
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte er, als ich schwieg.
    »Jetzt versuchen Sie, mich zu manipulieren.«
    Wieder dieses Lachen. Warum war seine Haut nur so warm? »Natürlich.«
    »Ich nehme die zweihundert Dollar trotzdem.«
    Er nickte mit gespieltem Ernst, und gegen meinen Willen musste ich kichern. Zu meiner Überraschung streckte er die Hand aus. Was für eine reizende Hand das war, mit langen, schlanken Fingern und perfekt manikürten Nägeln. »Wollen Sie tanzen?«
    Ich runzelte die Stirn und drehte mich um. Hinter mir hatte Horace’ Mannschaft genügend Tische zur Seite geschoben, um eine kleine Tanzfläche zu schaffen, und der Hauptakt des Abends war bereit zu spielen. Der weiße Pianist war der Bandleader, der Blickkontakt zu den anderen Musikern hatte, die dem Publikum zugewandt waren. Sie begannen mit einem Charleston – selbstredend –, und Dutzende von Paaren strömten auf die Tanzfläche. Zur Stärkung kehrte ich noch einmal an den Tisch zurück und trank mein Glas aus, ehe ich mich von Amir auf die überfüllte Tanzfläche führen ließ. In jedem Klub, der kleiner ist als der
Cotton Club
, ist der Charleston ein Vollkontaktsport. Meistens verbringe ich meine Zeit damit, den Ellbogen der anderen Tanzenden auszuweichen und möglichst niemandem auf die Füße zu steigen. Mit Amir jedoch kam es mir vor, als wäre der Platz um uns herum auf wundersame Weise frei. Vielleicht weil er ein guter Tänzer war, der sich im Rhythmus und völlig entspannt bewegte, als wäre der Charleston tatsächlich ein Tanz und kein

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