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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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befand sich eine unscheinbare grüne Tür mit einem Briefkastenschlitz.
    Ich klopfte. »Hey, ich bin’s!«, rief ich. »Lasst mich rein, hier draußen ist es unglaublich kalt!«
    Von drinnen drangen die gedämpften Geräusche einer Person, die zur Tür schlurfte und einige Schlösser öffnete. Es war Horace, piekfein gekleidet in einem grünen Frack mit abscheulich gepolsterten Schultern und einem passenden Hut. Er wirkte leicht überrascht, mich zu sehen.
    »Ich hätte gedacht, dass du Angst bekommst«, sagte er mit seinem polternden Südstaatenakzent. Ich konnte mir vorstellen, dass es bedrohlich klingen sollte, aber Horace war ein fleischgewordenes Swing-Jazz-Riff – zu bedacht auf Schönheit und Ästhetik, um über den sanften Rhythmus seines Wesens hinwegtäuschen zu können. Natürlich war er auch bekannt dafür, einer der geizigsten Schmuggler Manhattans zu sein, doch er erhob nie die Stimme, wenn er Geschäfte machte. »Ich hoffe, du hast ein paar anständige, schwungvollere Klamotten gefunden. Dieser Lehrerinnenstil ist zwar süß, aber nicht sehr fein.«
    Horace goss eine bernsteinfarbene (und vom Geruch her hochprozentige) Flüssigkeit in ein Glas. Ich schüttelte den Kopf, als er mir den Drink anbot, und zog meinen Mantel und die Handschuhe aus, während er an seinem Getränk nippte.
    »Ist das okay?«, fragte ich und warf den Mantel über einen Stuhl.
    Horace musterte mich von Kopf bis Fuß und lächelte. »Sehr gut. Tja, ausgezeichnet, Süße. Du hast dich wirklich zurechtgemacht. Geh schon mal auf die Bühne, ja? Die Jungs sind schon fast fertig.«
    Horace’ Klub war nicht besonders groß – die Bühne war nur knapp sechs Meter von der Bar entfernt. »Du wirst mich doch dafür bezahlen, oder?«, fragte ich, nachdem ich auf das Podium geklettert war.
    Der Pianist, ein Ersatzmann, wie ich vermutete, da ich mich nicht an seinen ergrauten spitzen Haaransatz mit den Geheimratsecken oder die blauen Augen erinnern konnte, lachte und spielte ein kleines Riff. Ich hatte noch nie einen weißen Musiker in Horace’ Klub gesehen.
    Horace lächelte und erhob sein Glas. »Trinkgeld, Püppchen. Du bekommst Trinkgeld.«
    Großartig. Trinkgelder wären sicherlich eine wahnsinnige Hilfe, wenn Mrs. Brodsky am Sonntag die Miete einforderte.
    Der Schlagzeuger setzte sich und begann auf seiner Snaredrum einen Dreivierteltakt zu spielen. »Sind Sie bereit, Zephyr?«, fragte er.
    Ich betrachtete meine kleine Band: Klavier, Schlagzeug, Bass und Trompete. Ich war vielleicht nicht Josephine Baker, aber die vier waren gute Musiker. Es würde alles gutgehen.
    Um kurz nach neun kamen nach und nach die ersten Gäste. Horace führte auf seinem Thron vor der Band den Vorsitz und winkte den Stammgästen zu. Die regelmäßigen Besucher dieses ehrenwerten Etablissements waren vorwiegend weiße Angehörige der Oberschicht, die nach etwas Nervenkitzel (und manchmal auch nach guter Musik) suchten, sowie dunkelhäutige Mitbürger aus der Mittelschicht. Aus meiner Gegend konnte sich fast niemand einen Besuch in Horace’ Klub leisten. Rinaldos Gin-Kneipen waren deutlich weniger stilvoll und um einiges günstiger.
    Die Band spielte leichte, beschwingte Versionen von neuen Liedern wie »Gin House Blues« und »Muskrat Ramble«. Geistesabwesend klopfte ich im Rhythmus der Musik mit der Fußspitze auf den Boden und betrachtete die Menge. Aileen tauchte um zwanzig nach neun auf und fand mit schlafwandlerischer Sicherheit ihren Weg an einen Tisch mit Männern, die offenbar ohne Begleitung da waren. Gegen die Mengen an Schminke, die sie aufgelegt hatte, wirkte mein Make-up wie ein Hauch Puder, und ihr knielanges Kleid gab den Blick auf erstaunlich viel Haut frei.
    Es kam mir vor, als wäre die Hälfte ihres Rückens entblößt! Ich schüttelte den Kopf.
Tanzen gehen
, allerdings.
    Erst als Horace die Hand hob und mich als Vorgruppe ankündigte, wurde mir klar, warum ich auch jetzt noch unbeteiligt die Menge musterte. Aus irgendeinem Grund erwartete ich nach wie vor, Amir zu entdecken. Dabei hatte ich ihm nicht einmal erzählt, dass ich hier singen würde. Die Chance, dass er von allein hierherkommen würde, war erstaunlich gering. Was war nur los mit mir?
    »Und nun präsentiere ich Ihnen die Vampirrechtlerin höchstpersönlich, Zephyr Hollis.«
    Aileen jubelte extrem laut. Ich wusste, dass sie mich nur unterstützen wollte, aber ihre Rufe schienen den höflichen Applaus der anderen bei weitem zu übertönen. Nach Abklingen des Beifalls setzte

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