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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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ausgesucht. All das schoss mir durch den Kopf, während ich die Tür aufstieß und die schneebedeckten Stufen hinaufrannte.
    Auf dem Bürgersteig entdeckte ich Schuhabdrücke im Schnee – große Abdrücke von einem Mann und kleinere Abdrücke von einer wankenden Frau –, die nach rechts führten. Doch sie waren mit anderen Spuren vermischt: Zwei Vampire, die ich vorhin bereits gesehen hatte, kicherten und torkelten in entgegengesetzter Richtung die Straße entlang. Hatte Aileen es geschafft … aber nein, sie war nicht bei ihnen.
    Mein Atem kratzte in meinem Hals, doch meine Hände waren ruhig, als ich unter meinen schockierend kurzen Rock griff und das silberne Messer aus dem Hüfthalter zog. Ich sammelte meine Gedanken, die kurz und abgehackt kamen, und konzentrierte mich voll und ganz auf meine Wahrnehmung. Das leise Geräusch der Klinge, die aus ihrer Hülle gezogen wurde. Das kaum hörbare Knirschen meiner Schuhe im Schnee. Die verlassene Straße. Der schwache Schein der Gaslaternen. Aileens Fußspuren verschwanden ein paar Meter vom Klub entfernt. Die größeren Abdrücke führten weiter in eine schmale Gasse, die zwei Häuser von Horace’ Klub entfernt war und in der mehrere Abfallcontainer standen. Ich folgte den Spuren, drückte mich mit dem Rücken an die kalte, feuchte Ziegelmauer und spähte in die dunkle Straße.
    Er hatte sie gegen eine Feuerleiter gedrängt. Die abgebrochene Feder war in den Schnee gefallen. Aileens Augen und ihr Mund waren schlaff. Vielleicht war sie nur betrunken – dagegen sprach jedoch, dass sie ihrem Gegenüber einladend den Hals zugewandt hatte. Einen Moment lang erblickte ich seine Gestalt, und es bestand kein Zweifel mehr daran, was er war. Seine Augen glühten wie übernatürliche Scheinwerfer, seine Lippen waren in Vorfreude auf den Leckerbissen blutrot, während der Rest seiner Haut bleich und von blauen Adern durchzogen war wie bei einer Leiche. Ich verstärkte den Griff um mein Messer, und unter meinem konzentrierten Blick spürte ich Wut in mir hochkochen. Er war nicht im Blutrausch. Angesichts der Tatsache, wie gut er sich im Klub getarnt hatte, hatte er sich vollkommen unter Kontrolle. Nein, er suchte den Nervenkitzel, und er war dabei, meine beste Freundin dafür zu benutzen.
    »Ich habe dir gesagt, dass die Feder albern ist«, sagte ich laut und trat in die Gasse.
    Er wirbelte zu mir herum und wich ein paar Schritte von Aileens Körper zurück. Sie geriet ins Wanken und fiel schließlich auf den mit Schneematsch bedeckten Steinen auf die Knie. Ohne dass er sie weiter mit seinem Blick in seinem Bann hielt, sollte sie in ein paar Minuten wieder zu sich kommen.
    Natürlich galt seine ungeteilte Aufmerksamkeit nun mir, und es kam mir vor, als würde dieser mörderische, erfahrene Vampir mich wie eine köstliche Beute anstarren. Jede Art menschlichen Blutes ernährt Vampire – aus dem Grund haben wir auch Blutbanken –, doch frisches Blut, das aus lebendigen Körpern fließt, scheint ein besonderer Leckerbissen zu sein. Ein paar Vampire sagen sich von sämtlichen Geboten des Anstands los und schwelgen darin. Wenn ich es gekonnt hätte, dann hätte ich jedem dieser Vampire ein Fass voller Weihwasser die Kehle hinuntergezwungen, denn ihr unverantwortliches, unmoralisches Handeln verdarb und zerstörte das Leben von unzähligen anständigen
Anderen
.
    Dachte ich gerade wirklich über Politik nach, während ich zitternd in einer verlassenen Gasse stand, ein Vampir auf mich zukam und ich nur mit einer geweihten silbernen Klinge und rechtschaffener Entrüstung bewaffnet war? Selbstverständlich tat ich das, schließlich nennt man mich nicht umsonst die Vampirrechtlerin.
    »Was für ein Glücksfall«, sagte er, und seine Augen leuchteten wie Glühwürmchen. Seine Stimme klang beinahe qualvoll melodisch – ein Hinweis darauf, dass er ein alter, mächtiger Vampir war. Selbst ich war nicht immun gegen die Wirkung einer perfekten Vampirstimme. Glücklicherweise hatte ich bisher noch nie das Pech, eine hören zu müssen.
    Oh, der Tanz war so vertraut. Etwas wie freudige Erregung strömte durch meine Adern, als ich meine Muskeln löste, den Mund leicht öffnete, das Kinn entspannte und sacken ließ. Er bemerkte die Klinge in meiner Hand, doch sie machte ihn offensichtlich nicht nervös. Warum sollte sie auch? Ich war nur ein Mädchen, und ich stand augenscheinlich im Bann seines Blickes.
    Er war nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt, als er den Arm hob und sich in

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