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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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stetiges Gemurmel ein, während ich das Mikrofon ausrichtete.
Vampirrechtlerin. Verdammt, verdammt, verdammt. Ich habe den ganzen Kopf voller Eiweiß, und mein Kleid ist seit drei Jahren aus der Mode. Oh, verfluchter Mist, was hat mich bloß geritten zu denken, dass das hier eine gute Idee sein könnte?
    Panisch betrachtete ich die Band, die meinen Blick als Zeichen verstand und mit der ersten Nummer startete, Irving Berlins »Remember«.
    Das Intro dauerte nur wenige Takte, also holte ich tief Luft und richtete meinen Blick auf die glänzenden Holzdielen der kleinen Bühne. Nicht gerade etwas, womit man das Publikum für sich gewinnt, doch ich fürchtete, dass die einzige Alternative in einer Ohnmacht bestand.
    »Remember the night, the night you said I love you …«
    Es war nicht großartig, aber wenigstens traf ich die meisten Töne. Nachdem ich ein paar Zeilen gesungen hatte, fand ich auch mein Selbstvertrauen wieder.
    »Remember we found a lonely spot«
, sang ich und schaffte es endlich, den Kopf zu heben und das Publikum anzusehen. Seit ich begonnen hatte, waren noch sehr viel mehr Gäste gekommen, und die meisten von ihnen schenkten mir tatsächlich ihre Aufmerksamkeit, statt sich mit ihren Tischnachbarn zu unterhalten. Und kein Bühnenhaken! Ermutigt gelang es mir, ein wenig zu improvisieren, als ich die Koda erreichte.
    »You promised that you’d forget me not, but you forgot to remember.«
    Ich blickte die Band an und endete mit einer triumphalen hohen Note, als sie den Schlussakkord spielten. Lächelnd (verführerisch und gelassen und
nicht
wie eine alberne Fünfjährige) wandte ich mich wieder dem Publikum zu.
    Und da war er. Er saß in der ersten Reihe, trug einen edlen Frack mit knielangen Rockschößen, ein gemustertes rotes Einstecktuch sowie Schuhe aus Lackleder und lächelte mich an, als hätte ich ihn nicht zuletzt mit einem kleinen Vampir im Blutrausch auf der Schulter gesehen. Obwohl ich den ganzen Tag über nach ihm Ausschau gehalten hatte, stieg mein Lampenfieber an, als ich ihn so leger am Tisch sitzen sah, und gebärdete sich wie ein in die Ecke getriebener Löwe.
    Amir nickte mir zu.
    O verflucht.
    Die nächsten Nummern hatten ein bisschen mehr Biss.
     
    Um halb zehn war der Auftritt beendet, und hinter der Bühne machte sich bereits der Hauptakt bereit. Außer Aileen waren tatsächlich noch ein paar Gäste aufgestanden, um zu applaudieren, was ich erstaunlich fand. Ich hätte glücklicher sein müssen, doch beim Anblick Amirs, der sich lässig zurücklehnte, musste ich unwillkürlich die Zähne zusammenbeißen.
    »Du warst gut«, sagte Horace, als ich wieder in den Klub kam. Er klang überrascht, doch ich nahm es ihm nicht übel. »Du kannst nächste Woche gerne noch einmal auftreten.«
    Ich sah ihn an. Aileen hatte nicht unrecht gehabt, als sie ihn einen »fetten Schmuggler« genannt hatte. »Wie viel?«
    Er hob die Augenbrauen. »Vier Dollar.«
    »Ich wette, ein paar andere Klubs sind ebenfalls an der singenden Vampirrechtlerin interessiert.« Als ich den Namen aussprach, musste ich spontan ein Würgen unterdrücken, aber es war offensichtlich, dass ich damit mein Hauptverkaufsargument ins Feld geführt hatte.
    Tatsächlich stellte Horace seinen Drink zur Seite. »Ich habe dich
entdeckt …
«
    »Ich habe nur ein einziges Mal hier gesungen! Zehn Dollar, plus zwei Dollar für die Zugaben.«
    »Fünf und keine Zugaben.«
    »Sechs, und du solltest besser zwei für die Zugaben zahlen.«
    Er streckte die Hand aus. »Also gut, mein Vögelchen. Abgemacht. Heute Abend gebe ich dir drei.« Er hob die Hand, um meinem Widerspruch zuvorzukommen. »Weil du gerade erst angefangen hast, verstehst du? In diesem Business musst du lernen,
vor
der Show zu verhandeln.«
    Er zog ein Bündel Scheine aus seiner Tasche, und schon beim bloßen Anblick des Geldes hätte ich beinahe angefangen zu sabbern. Dann fischte er drei Silberdollar aus seiner Tasche und schob sie über den Tisch.
    Voller Bedauern schüttelte ich den Kopf. »Danke für den wertvollen Hinweis.«
    Damit stand ich auf und bestellte mir an der Bar ein Glas Wasser. Um mich herum unterhielt sich eine dicht gedrängte Menge von Gästen und trank Horace’ geschmuggelten Gin. An Orten wie diesem konnte man kaum glauben, dass der Ausschank von Alkohol seit sechs Jahren verboten war. Sogar ein Vampirpärchen ganz in der Nähe – ein Mann und eine Frau, die etwas schwankten, als sie an mir vorbeigingen – schien die beschwipste Stimmung zu

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