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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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soll«, fügte ich schnell hinzu, »denn das werde ich nicht tun.«
    »Verdammter Gutmensch.«
    »Du erwartest von mir, dass ich dich ignoriere, während du …« Ich verstummte, als mir klarwurde, was ich hatte sagen wollen.
Während du solche Schmerzen erleidest.
Natürlich. Das war es, was ich hier vor mir sah. Ich schämte mich ein wenig. Das Knurren und die Feuerbälle hatten mich von dem abgelenkt, was eigentlich von Anfang an offensichtlich hätte sein müssen – sein Schmerz.
    »Wo tut es weh?«, fragte ich.
    Er verzog die Lippen zu einem kurzen Lächeln. »Überall. Und du kannst nichts daran ändern, glaube es mir. Also geh einfach weg.« Seine Stimme war höher geworden, bis sie fast wieder normal klang.
    »Wird es aufhören?«, fragte ich und setzte mich neben ihn an die Wand.
    Er nickte langsam, wie ein Betrunkener, der das Gleichgewicht halten wollte. »Bisher war es zumindest immer so, und ich bleibe optimistisch.«
    »Wie lange?«
    »Für gewöhnlich dauert es in etwa sechs Stunden. Drei Stunden habe ich schon hinter mir.«
    »Oh.«
    Er wandte mir das Gesicht zu. Die Flammen in seinen Augen waren kleiner geworden, so dass ich ganz schwach seine vertrauten, dunklen Iris erkennen konnte.
    »Bist du ein Ifrit?«, sprach ich meine Vermutung aus, dass er ein Feuerdämon sein könnte.
    Er richtete sich ein wenig auf. »Amir al-Natar ibn Kashkash, Sohn des Kashkash, Prinz der Dschinn, zu Euren Diensten.«
    »Kein Scherz?«
    Ich sah mich in seinem Zimmer um. Die chinesischen und orientalischen Vasen schienen bei näherer Betrachtung mehrere Jahrhunderte alt zu sein. Ein Prinz? Ja, entweder das oder sein Daddy war ein Rockefeller. Ich hatte allerdings bisher noch von keinem Rockefeller gehört, dessen Augen wie Fackeln glühten.
    »Es ist mir eine Ehre, Eure Hoheit. Zu schade, dass Ihr Euren ererbten Reichtum für nutzlose Antiquitäten verschwendet …«
    »Meine Sammlung ist nicht nutzlos. Du siehst hier ein paar der schönsten Exemplare der Ming- und Qing-Dynastie auf der ganzen Welt.«
    Tatsächlich? Widerwillig stand ich auf, um einen näheren Blick auf die Stücke zu werfen. »Wer hat sie gemacht?«
    Er sah mich stirnrunzelnd an. »Wer?«, fragte er, als wäre ihm die Frage noch nie in den Sinn gekommen. »Normalerweise kümmert es mich nicht, wer der Künstler ist. Ich nehme mir einfach, was mir gefällt.«
    »Warum überrascht mich das nicht?«
    Ich spürte einen plötzlichen Schwall Hitze, der von ihm ausging, und er presste die Knöchel in seine Hände. »Wenn du bleiben willst«, sagte er, »dann mach dich wenigstens nützlich.«
    Ich dachte darüber nach. »Soll ich dir vielleicht etwas vorsingen?«, fragte ich. »Ich könnte dir natürlich auch vom letzten Treffen der Suffragetten erzählen …«
    »Sing«, befahl er, ganz Prinz.
    Nun ja, ich gehorchte.
     
    Ich wusste, dass Aileen aufgewacht war, als ich die lauten Würgegeräusche am Ende des Flurs vernahm. Ich konnte nur hoffen, dass sie es noch bis zur Toilette geschafft hatte. Amir war in einen tiefen Schlaf gefallen. Sein Körper war extrem entspannt (und kühl) gewesen, weshalb ich mir sicher war, dass die rätselhafte Attacke vorüber war. Ich hatte ihm ins Bett geholfen und ihn dort liegen gelassen – im Augenblick konnte ich sonst nichts für ihn tun und hatte das Gefühl, dass Aileen heute Morgen irgendwie nicht ihr fröhliches, sarkastisches Selbst zeigen würde. Jedenfalls hatte sie anscheinend die Toilette gefunden, die an die Küche grenzte. Neugierig sah ich mich in dem Raum um. Mir wurde klar, dass ich nicht viel über die Dschinn wusste, und ich konnte mir nicht vorstellen, was sie für gewöhnlich aßen. Heidnische Babys?
    »Sicherlich seit den Kreuzzügen nicht mehr«, murmelte ich und lachte. Das musste ich Amir erzählen. Die Küche sah nicht aus, als hätte irgendjemand in den letzten zehn Jahren darin gekocht … zumindest ähnelte sie keiner Küche, die ich bisher gesehen hatte. Keine Flecke auf den Schneidebrettchen, keine Patina aus Rauch, Schmiere und Dampf, die den Fußboden und die Decke überzog. Der elektrische Herd war makellos, der gekachelte Boden perfekt, wie einem Küchenkatalog entsprungen. Es war unglaublich, andererseits verbrachte ich nicht gerade viel Zeit im Zuhause wohlhabender Menschen. Soweit ich wusste, war ein solch perfekter Zustand für die Oberschicht ein absolutes Muss. Lily hingegen mochte sogar den Zustand von Amirs Küche beklagenswert finden. Oder, was wahrscheinlicher war: Für sie

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