Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
Vom Netzwerk:
warum mir mein Ruf so wichtig ist?«
    »Tut mir leid, Mrs. Brodsky«, erwiderte ich und legte den Arm um Aileens Schultern. »Wir haben es letzte Nacht ein bisschen übertrieben und die Zeit vergessen. Wir haben uns absolut anständig benommen und sind sauber geblieben, das schwöre ich. Glänzend wie immer. Aber Aileen geht es nicht gut. Wenn Sie uns also bitte entschuldigen würden …«
    Ich versetzte Aileen einen kleinen Stoß, als ich versuchte, an Mrs. Brodsky vorbei die Treppe hinaufzugehen. Doch nun versperrte uns Mrs. Brodskys Besen den Weg.
    »Ihr geht es nicht gut? Was haben Sie mit ihr gemacht? Ich schwöre, Miss Hollis, dieses Mal …«
    »Ich glaube, sie muss sich gleich übergeben. Sie hat schon die ganze Nacht gekotzt.« Ich rümpfte die Nase. »Grün und schleimig. Ich bin mir sicher, dass es die reinste Knochenarbeit wäre, das wieder sauber zu machen.«
    Mrs. Brodsky nahm den Besen zur Seite. »Aileen, Sie müssen es mir sagen, wenn es sehr schlimm ist, ja?«
    Da meine Zimmernachbarin offenbar komatös war, nickte ich nur schnell und schob sie weiter die Stufen hinauf. Als wir den ersten Treppenabsatz erreicht hatten, schien Aileen sich wieder erholt zu haben.
    »Geht es dir gut?«, fragte ich und machte die Tür zu unserem Zimmer auf. »Du schienst irgendwie …«
    Vollständig bekleidet fiel sie auf ihr Bett und wandte mir das Gesicht zu, um mich anzusehen. »Ich habe dich gesehen … in meinem Kopf. Ich weiß nicht, ob ich es mir bloß eingebildet habe oder nicht, aber du hast die falsche Klinge benutzt«, sagte sie mit angespannter Stimme. »Frag mich jetzt bitte nicht, was das bedeuten soll, denn ich bin wirklich die Letzte, die dir dazu etwas sagen kann.« Damit stülpte sie sich das Kissen über den Kopf.
    Ich ließ sie in Ruhe, denn ich wollte nur noch schlafen. Ehrlich, ich sehnte mich mehr danach als nach einem Gourmet-Dinner im
Ritz
. Aber ich hatte den Leuten der St. Marks Blutbank versprochen, Lieferungen auszufahren. Das war die perfekte Gelegenheit für mich, meinen genialen Plan in Angriff zu nehmen und mich in die Bande einzuschleusen. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, mich als Junge zu verkleiden. Doch so romantisch diese Idee auch war, fand ich die Vorstellung, welche Qualen ich erleiden würde, wenn sie es herausfanden, weit weniger reizvoll. Es war viel besser, gar nicht erst zu versuchen, mich zu verstecken – ich würde mich Rinaldos Gang einfach als die Vampirrechtlerin nähern, als Weltverbesserin und Gutmensch, der zu dumm war, die Kriminellen von den Opfern zu trennen. Hoffentlich würden sie ganz nebenbei genügend Informationen über ihren Boss fallenlassen, so dass ich ihn für Amir ausfindig machen konnte.
    Ich nahm ein schnelles Bad und zog dann meine am wenigsten zerknitterte konservative Bluse und einen Rock an (ich würde demnächst große Wäsche machen müssen). Anschließend verabschiedete ich mich von Aileen, aber das Kissen lag noch immer auf ihrem Gesicht, und ich wusste nicht, ob sie mich hören konnte. Am Fuße der Treppe lauschte ich und schlich dann so leise wie möglich die Stufen hinab. Der Flur sah verlassen aus, als ich die unterste Stufe erreichte. Ich rannte den Rest des Weges bis zur Tür.
    Zu ebenjener Tür, die selbstredend gerade auffallend gründlich von meiner Wirtin geputzt wurde.
    »Zephyr Hollis«, sagte sie und betonte jede Silbe, als hätte sie saure Gurken zwischen den Zähnen.
    »Mrs. Brodsky.« Ich gab mir keine Mühe, mein Missfallen zu verbergen. Glaubte sie wirklich, dass ich mein Leben ihrer kleinkarierten, altmodischen Auffassung von Anstand anpassen würde?
    Sie sah mich lange an und warf dann ihren schmutzigen Putzlappen in den Eimer mit Seifenlauge zu ihren Füßen. Eigentlich war sie noch gar nicht so alt – nicht viel älter als vierzig –, doch es war schwer, das nicht zu verdrängen, wenn sie sich aufführte wie eine sittenstrenge Jungfer von fünfundsechzig Jahren.
    »Die Miete ist morgen früh fällig«, sagte sie. »Sie und Aileen haben in letzter Zeit sehr ausschweifend gelebt. Glauben Sie, dass Sie sich das leisten können? Es gibt da draußen unzählige Mädchen, die für das schöne Leben, das Sie hier führen, alles tun würden. Vergessen Sie das nicht.«
    Traurigerweise hatte sie vermutlich recht. Eisern, wie sie nun einmal war, hatte Mrs. Brodsky, als sie uns »keine männlichen Besucher« gestattete,
auch
diejenigen mit Geld gemeint. Deshalb biss ich mir auf die Zunge, rang mir ein Lächeln ab und

Weitere Kostenlose Bücher