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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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Ich hatte Kopfschmerzen, die ganze Kulturen hätten umhauen können, also dachte ich zuerst, dass sich das ferne Hämmern nur in meinem Schädel abspielen würde. Dann hörte ich das Stöhnen. Es hätte zwar auch von mir stammen können, aber ich war mir sicher, dass meine Stimme nicht so tief war. Außer natürlich, Horace’ Badewannen-Gin war um einiges stärker, als sogar mir bewusst gewesen war.
    Wieder hörte ich es – ein dumpfer Schlag, als wäre jemand gegen die Wand gefallen, kurz darauf ein gedämpftes Ächzen. Ich schüttelte die letzten Reste des Schlafes ab und begriff, wer das sein musste. Er klang, als hätte er Schwierigkeiten. Vorsichtig, damit mich der Schmerz in meinem Schädel nicht übermannte, stand ich auf. Der Flur war dunkel, doch am Ende war nur eine verschlossene Tür, und dank der kunstvollen Verzierungen auf der Holzverkleidung aus Mahagoni war mir klar, dass es Amirs Zimmer sein musste.
    Behutsam drehte ich den Türknauf und streckte den Kopf in den Raum. Zuerst konnte ich ihn zwischen den prunkvollen Möbeln gar nicht entdecken – noch mehr Teppiche, ein riesiges Bett mit einer Tagesdecke und Dutzende von antiken Tellern und Vasen, die alle liebevoll arrangiert waren. Sogar das weggeworfene Pyjamaoberteil aus Seide auf dem Fußboden zeigte deutlich, wie verschwenderisch hier mit Geld umgegangen wurde. Ich schnalzte missbilligend mit der Zunge und wollte gerade zu einigen vertrauten innerlichen Allgemeinplätzen über maßlosen persönlichen Reichtum ansetzen, als ein tiefes Stöhnen mich daran erinnerte, warum ich eigentlich hergekommen war. Ich machte die Tür ganz auf. Amir war an der Wand neben einer Ottomane zusammengesackt. Sein Haar schien senkrecht in die Luft zu stehen. Seine Haut war dagegen so geschmeidig, so makellos wie immer, doch die Farbe war aschfahl. Er hatte die Augen zusammengekniffen und die Hände zu Fäusten geballt, als würde er kämpfen, um seinen Zorn zu zügeln.
    »Amir?«, flüsterte ich.
    Sein gesamter Körper begann wie eine gespannte Harfensaite zu zittern. Mit einer unglaublichen, beängstigenden Schnelligkeit schmetterte er die Schultern und den Kopf gegen die Wand hinter sich – hart genug, um die chinesische Vase zum Klirren zu bringen, die in einer Ecke des Zimmers stand.
    Ich zuckte zusammen, wich jedoch nicht zurück. »Bist du …«
    »Geh weg«, sagte er. Seine Stimme klang ruhig, allerdings schwang ein bedrohlicher Unterton darin mit.
    Ich ignorierte seine Aufforderung, denn er hatte seine Augen nicht geöffnet. »Ist irgendetwas passiert?«
    »Zephyr.«
Das war definitiv eine Warnung.
    Ich kniete mich neben ihn und strich ihm mit den Fingerspitzen über die Knöchel seiner Hand. Das reichte offensichtlich. Er schreckte vor mir zurück, als hätte ich ihn mit einem Messer verletzt. Dann stieß er ein Knurren aus, das mehr nach einem Löwen als nach einem Menschen klang, und ich bemerkte die intensive Hitze, die von seiner Haut ausging. Wenn ich genau hinsah, wirkte es fast so, als würde er glühen …
    Rauch quoll aus seinen Ohren – Wölkchen von Schwefel und verbrannter Orange. Er schlug die Augen auf, und jetzt begriff ich, warum er sich entschieden hatte, sie zu schließen: Sie hatten sich in zwei brennende Feuerbälle verwandelt, deren Asche nun seine Wangen beschmutzte. Unwillkürlich rutschte ich ein paar Zentimeter zurück. Ich war halbwegs furchtlos, was die Fähigkeiten der
Anderen
anging, aber das hier war sogar für mich neu.
    »Hast du deine Meinung geändert?«, fragte er. Seine Stimme war so leise, dass sie kaum wiederzuerkennen war, während Funken von seinen Lippen stoben.
    Ich musste verrückt sein, denn der erste Gedanke, der mir bei seinem Anblick kam, war der, wie faszinierend sich jetzt ein Kuss von ihm anfühlen musste. Bevor mein allzu menschlicher Körper knusprig gebrutzelt ist, dachte ich.
    Seine Hände waren zu Fäusten geballt, sein Körper zitterte noch immer. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
    »Äh, nein«, erwiderte ich, während seine Hitze anfing, meine Haut zu versengen. Ich hustete. »Das habe ich nicht.«
    Er schüttelte den Kopf, und das Feuer verdunkelte sich. »Geh weg, Zephyr.« Nachdem er meinen Namen ausgesprochen hatte, brach seine Stimme. Er stöhnte auf und schmetterte den Kopf wieder gegen die Wand.
    Ich versuchte, seine Hand zu ergreifen, aber die Hitze war zu intensiv. »Gibt es irgendetwas, das ich tun kann?«, fragte ich. »Und sag mir bloß nicht, dass ich weggehen

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