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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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stieg und die Blicke der anwesenden Frauen bemerkte, die mich neugierig und streng musterten, fragte ich mich, was ich hier eigentlich machte. Schließlich hasste ich die
Abstinenzbewegung
. Sicherlich hatte ich mich nie gescheut, meine Meinung über ihr Handeln auch kundzutun. Ich war halb so alt wie die meisten der Mitglieder. Seit ich einundzwanzig war, durfte ich wählen. In meinen Augen waren sie Dinosaurier, und in ihren Augen war ich ein unwissender kommunistischer Emporkömmling, der versuchte, ihre Bewegung zu übernehmen. Und ich erwartete, dass sie meinen Worten über
Faust
Gehör schenkten? Iris meinte, dass meine traurige Berühmtheit mir mehr Glaubwürdigkeit verleihen würde. Sie schien nicht zu verstehen, dass die meisten dieser Frauen mich genau dafür hassten.
    »Für jedes Leben, das der Alkohol zerstört«, begann ich, »zerstört
Faust
ein Dutzend. Ich habe es heute mit eigenen Augen gesehen. Wenn wir nicht sofort handeln, wird
Faust
diese Stadt auseinanderreißen.« Ich bemühte mich, überzeugend zu klingen, dabei fühlte ich mich innerlich noch immer von dem entsetzlichen Anblick betäubt, der sich mir in Amirs Wohnung geboten hatte – all das Blut, die tote streunende Katze, das Geheimnis, das ich über Rinaldos »Geschenk« vom Abend zuvor bewahrte.
    Ich setzte den Anwesenden alle direkten Auswirkungen von
Faust
auseinander: Blutrausch, schwere Verbrennungen, Bürgerwehren, öffentliche Panik. Vielleicht sei Prohibition die falsche Taktik, sagte ich, dennoch sei es unsere Pflicht, sofort öffentliche Gesundheitsmaßnahmen einzuleiten, um das Unglück einzudämmen, das die Gemeinde bereits durchströme. »Ich habe mein ganzes Leben dafür gearbeitet, die Beziehung zwischen den Menschen und den
Anderen
zu verbessern. Dieses Zeug droht nun all unsere Fortschritte in nur wenigen Wochen zunichtezumachen.«
    Es war kein gutes Schlusswort, aber es war alles, was ich im Augenblick zu sagen hatte. Ich verließ das Podium, während hier und da ein paar Leute halbherzig klatschten. Die Ortsgruppenvorsitzende eröffnete daraufhin die Diskussionsrunde, und eine Frau in der ersten Reihe sprang so schnell auf, dass ihr Stuhl beinahe nach hinten gekippt wäre. Sie trug eine enge Kappe, die an ihrem bereits ergrauten Haarknoten festgesteckt war, und war so hoffnungslos viktorianisch gekleidet, dass es tatsächlich fast so schien, als hätte sie einen leichten Reifrock an.
    »Ich räume ein, dass
Faust
potenziell gefährlich ist«, begann sie und drehte sich, um Iris direkt anzusehen, »aber ich verstehe nicht, warum
sofort
gehandelt werden muss. Immerhin konnten wir über Hunderte von Jahren hinweg Beweise für die Schäden beobachten, die Alkohol in der Gesellschaft anrichtet. Beweise, die einige von Ihnen noch immer nicht für ausreichend halten – trotz unseres Erfolges.« Natürlich fiel ihr stechender Blick dabei auf mich. Ich lehnte mich an die Wand und zuckte gleichgültig die Achseln, woraufhin sie sich wieder der Vorsitzenden zuwandte. »Offen gesagt, bin ich schockiert, dass Sie dieses Treffen anberaumt haben. Wenn überhaupt, sollten wir den Frauen dabei helfen, sich vor den Ungeheuern in ihrer Mitte zu schützen. Ich jedenfalls weiß, dass ich mich nie sicher fühle, wenn ich abends noch allein auf die Straße muss.«
    Das zustimmende Gemurmel und der Applaus (deutlich begeisterter als nach meinem Vortrag) sagten mir alles, was ich über das Resultat dieses Abends wissen musste. Die nächsten Stunden würden sie damit verbringen, sich zu streiten und das Thema zu diskutieren. Im Anschluss daran würde es eine Abstimmung geben, und zu gegebener Zeit würde das Thema
Faust
fein säuberlich unter ihren »fortschrittlichen Teppich« gekehrt werden. Ich ging müde zur Tür, doch die Dame war noch nicht ganz fertig.
    »Im Augenblick könnte das Zeug einigen Schaden anrichten, aber der Vergleich mit Alkohol ist bestenfalls … unangemessen, Miss Hollis. Ich weiß, dass Sie ein seltsames Interesse an der Notlage dieser Kreaturen haben, dabei sind es im Endeffekt doch nur Vampire.«
    Abrupt hob ich den Kopf. »Und Sie sind hoffnungslos altmodisch«, erwiderte ich ziemlich laut. Dann ging ich hinaus, knallte die Tür hinter mir zu und ließ das schockierte Getuschel hinter mir.
    Der Blitz sollte mich treffen, sollte ich jemals im Leben wieder einen Fuß in einen Raum mit einer Horde dieser selbstgefälligen Puritanerinnen setzen. Der Flur vor dem Versammlungssaal roch nach feuchtem Moder und

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