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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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verrottetem Holz, aber immerhin war es drinnen wärmer als draußen. Ich setzte mich auf die Stufen, die ins Untergeschoss führten, und schlang beide Arme um die Schultern. Ich war zu Tode erschöpft, und schon in einer Stunde musste ich wieder Unterricht geben. Hatte ich genügend Zeit, um nach Amir zu sehen? Natürlich nicht, und ich bezweifelte auch, dass er mich sehen wollte.
    Ich schloss die Augen, und sofort tauchten ein Dutzend Bilder in schmerzlichem Stakkato vor meinem inneren Auge auf: Giuseppes Blick, als er mich um Hilfe gebeten hatte, die Vampirin, die von der verzweifelten Menge fast zerrissen worden wäre, ein Wiedergänger in Form einer Katze, deren Knochen so leicht unter meinen ruhigen Händen gebrochen waren, Vampirblut, das in einer Gasse vor sich hin faulte, die Zeichen der Wiedergänger, die man in die Haut von zwei streunenden Katzen gebrannt hatte …
    Ich hatte mich geweigert, nach Hause zu gehen, als Amir mich darum gebeten hatte. Das war auch gut so gewesen, denn nur Minuten später hatte er wieder einen seiner Anfälle bekommen, und irgendjemand hatte das Durcheinander aufräumen müssen. Ich hatte die Katze hinauswerfen wollen, doch Amir hatte darauf bestanden, dass ich sie liegen ließ.
    »Ich werde sie zu Kardal bringen. Vielleicht kann er sie zurückverfolgen. Rinaldo«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während er neben seinem Sofa auf dem Boden hockte.
    Also versuchte ich, die Katze nicht anzusehen. Der Anblick der zerfetzten Ränder gerissener Haut, der Sehnen und Knochen – alles frei von eigenem Blut – hätte vermutlich auch ohne den Gestank des fremden Blutes nach heißem Teer und Fäulnis gereicht, damit mir übel wurde.
    »Was meinst du, was das ist?«, fragte ich. »Der Geruch …«
    »Woher soll ich das wissen?«, versetzte er gereizt. »Vielleicht hat die Blutbank ein paar Konserven über das Verfallsdatum hinaus aufbewahrt.«
    Ich unterließ es, auf die Schwachstellen seiner Vermutung hinzuweisen, denn er wirkte, als würde er jeden Moment seine Möbel in Brand stecken.
    »Ich nehme nicht an, dass du nach dieser Sache noch immer auf deinem Recht bestehst, deine Sicherheit aufs Spiel zu setzen, oder?«, sagte er, als ich den Rest des faulig stinkenden Blutes aufgewischt hatte. »Vielleicht könnte ich dich ja auch mit ein bisschen Geld vollends davon überzeugen, es sein zu lassen?«
    Ich lächelte, obwohl ich wusste, dass er es nicht sehen konnte. »Doch, das tue ich. Und nein, das kannst du nicht.«
    Als er seufzte, wurde das Licht auf seiner Seite des Zimmers einen Moment lang heller. »Ich musste es versuchen.«
    Ich stand auf und ging zu ihm. »Sag«, begann ich, strich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange, wobei ich sie mir beinahe verbrannt hätte, »was passiert mit dir, wenn du Rinaldo nicht findest?«
    Blitzschnell schossen Flammen aus den Tiefen seiner Augen. Er blinzelte und stöhnte auf. »Nichts, Zephyr. Nur ein bisschen Seelenschmerz.«
    Er log. Ich hatte zwar keinen Grund zu dieser Annahme, trotzdem wusste ich es. Wenn er Rinaldo nicht bald fand, würde es noch viel, viel schlimmer werden, was auch immer da gerade mit ihm geschah. Ich war wütend und enttäuscht, dass er mir nicht genug vertraute, um mir die Wahrheit zu erzählen. Ich war wütend und enttäuscht, dass er etwas zu verheimlichen hatte, weil ich anfing, mich zu fragen, was genau das sein mochte …
    »Zephyr?«
    Die Hand auf meinem Knie war kühler, als seine Hände jemals waren.
    Ich schlug die Augen auf und blickte in Lilys sorgenvolles Gesicht. »Tut mir leid«, murmelte ich. »Ich muss eingedöst sein.«
    »Sie werden da drinnen gerade vollkommen niedergemacht. Wollen Sie nicht …«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich kämpfe nicht
jeden
hoffnungslosen Kampf, außerdem muss ich zum Unterricht.«
    Lily nickte. Nach einem kurzen Zögern setzte sie sich neben mich. »Geht es um Nicholas?«, flüsterte sie. »Hat er Sie verletzt?«
    »Fürsorge? Grundgütiger, Lily, übertreiben Sie es bloß nicht – das sind Sie nicht gewohnt.«
    Sie atmete genervt aus und stieß mir freundschaftlich den Ellbogen in die Rippen. »Gut, wie Sie wollen. Solange Sie mir nicht meine Insiderinformationen vorenthalten.«
    Ich lächelte und erzählte ihr, was ich über die Lieferung von
Faust
und Nicholas’ Pläne erfahren hatte.
    Erfreut klatschte sie in die Hände und sah sich dann um, als hätte sie damit möglicherweise einen anderen Reporter aus dem bröckelnden Putz

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