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Moonsurfer

Moonsurfer

Titel: Moonsurfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Birck
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kramt die Reste seines Mutes zusammen und taucht zurück in die Dunkelheit. Nachdem er sich ein weiteres Mal durch Insektenschwärme und Spinnweben gekämpft hat, blickt er abermals in die toten Augenhöhlen des knöchernen Herrn der Fliegen. Grumble hängt noch exakt genauso in seinem Thron wie damals in der Nacht ihrer ersten Begegnung: Die Reste seines Strohhutes sitzen aufseinem Kopf, der Säbel steckt in den Holzbohlen. Doch irgendetwas stimmt nicht. Etwas hat sich verändert.
    Steven tritt einen Schritt zurück.
    Die Feder! Sie steckt nicht mehr im Stroh des Hutes, sondern in der rechten Hand der Mumie. Wie eine Schreibfeder. Steven sieht sich um, sucht nach etwas, worauf das Wesen geschrieben haben könnte. Auf dem mächtigen Tisch neben Grumbles sterblichen Überresten steht ein Tintenfässchen. Offen, trocken und durch Spinnweben mit der Eichenplatte verbunden. Steven sucht weiter, bis er das Stückchen pergamentgelben Papieres entdeckt, das aus Grumbles linker Knochenhand ragt.
    Vorsichtig versucht er das alte Pergament herauszuziehen, wobei der kleine Finger der Mumie klappernd zu Boden fällt. Für einen kurzen Moment fürchtet Steven, dass sie erbost zum Leben erwachen würde. Aber sie bewegt sich nicht.
    Erleichtert sinkt Steven auf einen der Stühle an der Tafel, rollt das brüchige Papier vorsichtig auseinander und drückt es flach auf die Staubschicht auf der Holzplatte - dort, wo ein schmaler Lichtstreifen für ausreichend Helligkeit sorgt.
    Das Pergament ist kunstvoll, aber mit unsicherer und zittriger Hand beschrieben, so als habe der Schreiber schon seit sehr langer Zeit keine Feder mehr gehalten, bevor er die fremdartig geschwungenen Buchstaben aneinanderreihte.
    Steven fällt es schwer, die altertümliche Handschrift zu entziffern:

    Steven versucht es mit einem Schlag auf die eigene Wange, er schüttelt den Kopf und zwickt sich mehrmals in den Arm. Doch er wacht nicht auf. Also schläft er auch nicht, woraus er wiederum schließt, dass er umso weniger träumt.
    Er tastet seinen Kopf ab, findet jedoch keine Wunde, nicht einmal eine Beule. Sein Gehirn scheint also - zumindest was äußerliche Einwirkungen betrifft - unbeschädigt zu sein. Alles deutet darauf hin, dass sich das, was er vor sich hat, auch dort befindet:
    Ein Skelett, das vor einigen Tagen noch lebendig war, zu ihm gesprochen und nun auch noch eine Botschaft geschrieben hat. Folglich scheint es tatsächlich so zu sein, dass er, Steven, ein angeblich magisches Surfboard namens »Moonsurfer« aus seinem Spinnweben-Gefängnis befreien und an sich nehmen soll.
    Ein paar Minuten später steht er wieder vor dem Brett, das ihn um drei oder vier Fuß überragt. Er legt seine Hände an die Ränder der knochentrockenen Planke und löst sie mit einem kurzen Ruck von der Wand.
Zurück auf der Veranda
    Nachdem Steven das Brett nach draußen getragen und mit einem Palmwedel von einer fingerdicken Staubschicht befreit hat, betrachtet er es im Licht des späten Nachmittages. Es ist handgearbeitet und völlig schmucklos. Entlang der Maserung des Holzes ist es von tiefen Furchen durchzogen, trotz Größe und Form eines Longboards ist es erstaunlich leicht.
    Steven setzt sich auf die verbliebenen Stufen der verfallenen Veranda und starrt ratlos auf das Board.Dieser verrottete Einbaum soll ihn zu einem Big-Waver machen? Und von was für einem Schatz redet das Gerippe überhaupt?
    Von dem, den Dad sucht? Soll der Schatz vor Dad gerettet werden? Müsste nicht eher Dad vor dem Sturmfluch gerettet werden? Und welcher »Shark« braucht Hilfe und welchen »Snake« soll ich verflixt noch mal   … töten?
    »Was für ein Unsinn, ich bin doch kein Auftragskiller!«, entfährt es ihm.
    Man wird ihn für verrückt halten, wenn er das alles irgendwem erzählt!
    Andererseits: Warum sollte er darüber sprechen?
    Inzwischen ist es Abend geworden, die Tageszeit der Mücken und der kleinen Beißer, die man hier » No-see-em’s « nennt, ist angebrochen. Kleine, fast unsichtbare Plagegeister, die einen um diese Tageszeit überfallen, wenn man sich am falschen Ort aufhält: im Gebüsch hinter dem Strand.
    Steven beginnt, sich auf Arme und Beine zu schlagen. Er muss hier schnellstens verschwinden. Also zieht erdas Board durch das Gestrüpp zu den Resten der morschen Brücke. Über dem brackigen Tümpel haben sich Mückenschwärme versammelt, so dicht wie die Rauchschwaden über einem Grill. Er legt das Board flach über das verbliebene Holzgerippe, und balanciert

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