Moonsurfer
weit gegangen ist.
Und Bruce fällt nur was Brutales ein: Er packt Steven am Shirt, zieht ihn zu sich heran und holt aus, um seine Faust auf Stevens Nase zu platzieren. Fertig zum Schlag kommt dem Surf-Champion dann aber doch noch etwas Schlagfertigeres - und seiner Meinung nach Passenderes - in den Sinn:
»Soso …«, zischt er, »… dann will ich doch mal sehen, wie gut du eigentlich bist, Cheese. Und zwar auf’m Surfcup! Du meldest dich am Tag des Contests als Cheese bei der Wettbewerbsleitung, kapiert? Dein neuer Name wird auf der Liste der Starter sein, verlass dich drauf!« Und während er Stevens Skateboard quer über die Straße kickt, ergänzt er noch: »Du bist schon so gut wie tot, du Idiot!«
Danach wirft er seine Tasche über die Schulter, winkt seinem Publikum ein »Wir gehen!« zu und verschwindet in der Menge.
Steven bleibt zurück. Nach einer Weile steht er allein auf dem Gelände, sammelt sein Skateboard ein und macht sich auf den Weg zum Strandhaus.
Strandhaus; Tag, wolkenloser Himmel, leichter Wind
Steven baumelt in der Hollywoodschaukel auf der Veranda, leert eine Tüte Tortilla-Chips und denkt nach.
Der Bay-News-Wetterbericht hatte gemeldet, dass sich weiter unten in der Karibik erste Anzeichen für einen Hurrikan entwickelten. Dem West-Coast-Surfshop kommt diese Meldung wie gerufen. Denn der Wettbewerb kann nur dann stattfinden, wenn der Wind draußen im Golf von Mexiko die Wellen in die Höhe treibt. Die Brecher, die dann auf das Land rollen, stellen die Bühne für den Contest.
Wenn er sein Gesicht nicht verlieren will, wird Steven wohl teilnehmen müssen. Er ist ein ganz guter Skateboarder, beherrscht ein paar Kunststückchen. Davon abgesehen hat er einen Jollenschein für Binnengewässer und irgendwann auch einmal einen Windsurf-Kurs gemacht. Er hält sich sogar nicht schlecht auf einem Riverboard, das auf der Welle eines Stadtbaches tanzt, hat sich durch Hunderte dieser Surfclips auf YouTube geklickt und mindestens ein Dutzend Wellenreiter-DVDs angesehen. Mehrfach. Theoretisch ist er also ziemlich gut ausgebildet. Doch er hat noch nie auf einem Board gelegen, um draußen in der Brandung auf die richtige Welle und den richtigen Moment zu lauern.
Also hat er seinen Mund wohl etwas zu voll genommen. Nicht mit Chips, aber damit, dass er Bruce gereizt und dessen Herausforderung provoziert hat. Nun steckt er in einer Zwickmühle, denn wie auch immer er sich entscheidet, er wird verlieren: Kneift er, werden sie ihn auslachen. Macht er aber mit, wird es nicht anders kommen.
Steven versucht sein Grübeln auf später zu verschieben und die Siesta für das zu nutzen, für was sie da ist: für ein Mittagsschläfchen. Doch er findet keine Ruhe. Denn immer, wenn er nicht mehr über den Surf-Contest nachdenkt, kommt der Alte aus der Hazienda zu ihm zurück. Dann hört er wieder die Ankerkettenstimme wie aus weiter Ferne. Doch diesmal ruft sie nicht seinen Namen, diesmal scheint es ihm, als flüstere sie ihm die Lösung seiner Probleme ins Ohr:
Habt Ihr die Planke vergessen, Seven Waves? Sie hat besondere Kräfte! Kann sogar ein Bürschchen wie Euch eine Monsterwelle reiten lassen …
Das Gelände der unheimlichen Hazienda auf dem Dschungelgrundstück, Nachmittag, Hitze, Windstille
Steven starrt auf das verschlossene Tor zur Hazienda, das er noch in der Nacht seiner Ankunft problemlos hatte aufschieben können, um auf das Grundstück dahinter zu gelangen. Es ist später Nachmittag, und sogar die Sonne versucht vergeblich, ihre Strahlen ins Dickicht zu lasern, um das dunkle Geheimnis des Geländes zu durchdringen.
Der Eingang ist mit einer Kette gesichert, die zu einem Klumpen zusammengerostet ist, den sicherlich schon seit dem Beginn der Eisenzeit niemand mehr geöffnet hat.
Dann war das alles also doch nur ein Albtraum! … oder leide ich an Halluzinationen? Einen Moment denkt Steven an Rückzug, doch die Herausforderung des Surf-Großmeisters Bruce hängt an seiner Laune wie die Eisenkugel am Bein eines Sträflings. Sie lässt ihm keine Wahl, und ohne weiter darüber nachzudenken, ob er nun an Hirngespinsten leidet oder nicht, entscheidet er sich für eine zweite Expedition in das Herz der Dunkelheit.
Er folgt dem Zaun hinunter zum Meer, wo das rostige Geflecht im Sand zu versinken scheint. Ins Unterholz spähend stapft er den Strand entlang. Er muss eine Weile suchen, bis er einen schmalen Sandstreifen ausmacht, der in das Gestrüpp hineinführt.
Nach ein paar Metern ist das
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