Moonsurfer
von zwei zügellos wuchernden Backenbartgewächsen in die Zange genommen wird, rülpst in das allgemeine Schnarchen. Er starrt Steven durch die glaslosen Ränder einer Nickelbrille an.
Nach einer Weile hebt der Fette, von dem Steven annimmt, dass er hier der Kapitän ist, langsam seinen Arm und nimmt einen kräftigen Zug aus seinem Trinkgefäß: einem vergoldeten Totenkopf.
Danach legt er mit einem zufriedenen Grunzen die freie Pranke auf seine haarige Brust, fächert die öligen Finger auf und schiebt ein Kinn aus den Hautfalten um seinen Hals heraus. Mit der anderen Hand streckt er noch immer den Trinkschädel in die stickige Luft. In dieser lächerlichen Haltung sagt er: »Darf ich mich vorstellen: Professor S. Kullingham!« Nach diesen Worten fällt er wieder in sich zusammen - wie ein enttäuschtes Kind, dem gerade eine Tüte Eis verwehrt wurde - und brummt: »Mangels allgemeinen Respektes vor meinem akademischen Grad verdiene ich mir derzeit meinen bescheidenen Unterhalt als Kapitän der Blackbird: Käpt’n Skull, um es kurz zu machen. In dieser Funktion im Übrigen auch der Richter an Bord der Blackbird!«
Die Blackbird?, durchfährt es Steven. Das ist doch alles nicht möglich !
Nach den durchaus emotional vorgetragenen Formalitäten richtet sich der offensichtlich selbsternannte Akademiker, Richter und Kapitän der Blackbird in seinem ächzenden Stuhl schlagartig wieder auf und schiebt die beiden besoffenen Männer mit einer einzigen Bewegung seiner haarigen Pranke vom Tisch. Sie krachen zusammen mit splitternden Gläsern auf die Decksplanken, rollen die Rampe des schiefen Kajütenbodens hinunter und gesellen sich zu dem schnarchenden Sägewerk an der Backboard-Wand.
»Käptnskull, Käptnskull, Käptnsku…!«, krächzt der Rabe.
»Halt den Schnabel, Äquator …«, raunzt der Käpt’n. Er zieht eine schwere Steinschlosspistole unter dem Tisch hervor und hält sie dem zerzausten Vogel vor den Kopf,sodass dessen Pickwerkzeug im Lauf der Waffe verschwindet: »… oder du kommst auf meinen Seziertisch!« Dabei pocht er mit dem fleischigen Finger der anderen Hand auf einen grauen Zinnteller, auf dem noch die dürren Knochen einer unglücklichen Möwe kleben. Äquator erstarrt augenblicklich und gibt keinen Ton mehr von sich. Der Käpt’n gibt den Schnabel des Vogels frei, lässt die Waffe wieder unter dem Tisch verschwinden und wendet sich Steven zu.
»Wäret Ihr jetzt so freundlich und würdet mir Euren werten Namen verraten?«
Steven sieht sich nach der versteckten Kamera um, findet aber leider keine Anhaltspunkte für einen TV -Scherz.
»Deinen verdammten Namen will ich wissen, Spion!«, brüllt Skull.
Stevens Zunge klebt wie eine Pizza auf dem Ofenblech am trockenen Gaumen. »Ich …«, versucht er zu erklären.
»Wer denn sonst? Seht Ihr hier vielleicht noch einen zweiten verdammten Spion, hä?« Skull läuft rot an und will einen weiteren Zug aus seinem goldenen Totenschädel nehmen.
Steven versucht es nochmals: »Ich bin … also, ich heiße …«
Doch Skull hat schon ein neues Problem. »Snake! Wo ist dieser Wurm? Snaaaaaaake!!«
Irgendwo hinter Steven schlägt eine schwere Holztür auf. Der sommersprossige Junge, der den schiefen Raum betritt, ist nicht viel älter als Steven. Er ist barfuß, trägt eine Baumwollhose, die in Fetzen um seine Waden hängt, und ein schmutziges, mit Rüschen besetztes Hemd, das einmal weiß gewesen sein könnte. Um seinen Kopf hater ein rotes Tuch gewickelt. Die Haare hat er, so weit möglich, zu einem struppigen Zopf gebündelt, der Rest klebt verschwitzt auf seinem Gesicht.
»Wenn du Nichtsnutz mir nich Rum herbeischaffst, bevor ich bis zehn gezählt habe, häng ich dich gleich mitsamt dem Spion auf!«
Der Junge, den dieser Skull »Snake« genannt hatte, stoppt mitten in der schwungvollen Bewegung, mit der er in die Kajüte geplatzt ist. In unbequemer Haltung steht er auf dem schrägen Boden vor dem verkannten Professor, Käpt’n und Richter. »Ihr könnt doch gar nicht bis zehn zählen, Professor Käpt’n.«
» RRRRRAUS und bring RRRRRUM oder du überwinterst wieder auf der RRRRRRAAAAAHNOCK !«
»Geht klar, Käpt’n, hab schon verstanden.« Snake macht kehrt und will gerade den Raum verlassen, als sein Blick auf Steven fällt. Er mustert kurz die armselige und geschundene Erscheinung samt deren seltsamer blumengeschmückter Hose, dann verschwindet er.
Steven starrt auf den schiefen Türrahmen, durch den der Schiffsjunge hereingekommen und
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