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Moor

Moor

Titel: Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunther Geltinger
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tot.
    Hannes packte sich weg und reichte dir die gleiche Hand zum Aufstehen. Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß, sagte er und deutete zwischen den Silos hindurch zum Heidedamm. Einen Moment lang blickte er noch auf die Stelle, wo die Kätzchen versunken waren, als wollte er sich vergewissern. Dann verschwand er im Stall. Die Mutterkatze war zurückgekommen, kauerte mit hängendem Kopf am Rand der Grube und starrte dich an. Ihr Anblick, so verloren, mit diesem ausgezehrten Leib und dem räudigen Fell, aus dem am Bauch die milchprallen schwarzen Zitzen ragten, ließ dich würgen. Du bist hoch aus dem Dreck und nach Hause, noch mit dem Kot an den Schuhen die Treppe hinauf in deinZimmer aufs Bett, wo du dich tiefer, länger und ungestümer in die Ritze gedrückt hast als jemals zuvor.
    Das alles soll nun Hannes Tanja am Teich geflüstert haben? Die geheime Begegnung an der Jauchegrube ausgeplaudert, über die zu schweigen du dir noch am selben Tag geschworen hattest, aus Scham und Furcht vor Hannes’ Rache, sollte jemand im Dorf davon erfahren? Ein Windstoß riss die verholzten Früchte aus den Erlen, der Ast schwankte auf dem Wasser, und du glaubtest, sein Knarren zu hören, als raunte er dir nickend zu: Nun komm endlich!
    Hannes und Tanja waren ein wenig näher gekommen, vorgerückt in die schmale Schneise zwischen den Binsen, dort, wo Marga morgens ins Wasser steigt. Hatten sie dich bereits entdeckt? Der Gedanke bereitete dir kaum Schrecken, eher ein Gefühl von Genugtuung und Erleichterung. Doch warst du dir nicht sicher, ob sie dich sahen – du hast ostwärts gesessen, im Schutz der aufsteigenden Dämmerung, sie aber standen gegen Westen, wo der Himmel noch leuchtete. Tatsächlich schaute Tanja jetzt herüber – hättest du in diesem Moment die Augen einer Eule oder Katze gehabt, sicher wäre da ein wissendes Lächeln auf ihren Lippen gewesen.
    Da packte Hannes sie plötzlich am Arm. Oder war es nur ein Schatten, der von den Erlen über sie fiel? Der Wind wühlte in den Zweigen, Blätter trudelten herab. Du fuhrst hoch, als hätte er nicht sie, sondern dich an sich gezogen. Unter deinem Schuh zerbrach ein Holz, verriet den geheimen Bund eurer Blicke. Jetzt schaute auch Hannes herüber. Als du vorsichtig den Fuß hobst, knirschte es wie von Scherben. Da bist du raus aus deinem Versteck und über den Graben hinweg auf die Wiese. Das Letzte, was du vom Heidedamm noch sahst, war das Haus mit dem schwarzen Weidenbaum davor.Drum herum versank das Land bereits im Dunkeln, und als du dich im Hof noch einmal umdrehtest, war auch der Teich schon weg.
    Der Film reißt. Ein dumpfes Quietschen, als du dich bewegst, wieso aber, denkst du, quietscht das Moor? Dann riechst du sie: Marga, ihr Badeöl, den kalten Zigarettenrauch in der Luft. In deinen Augen schmerzt grelles Licht, du wischst dir mit der Hand übers Gesicht, spürst die Wärme des Wassers und etwas Knisterndes, das auf der Haut zerflockt, viel zu weich und luftig, als dass es Torf sein könnte, der zwischen deinen Fingern zerkrümelt. Nur langsam schälen sich die Konturen des Badezimmers aus dem Dunst. Der Spiegel ist blind, das Fenster beschlagen, dahinter steht die Nacht. Du bist nicht draußen im kalten Kolk, sondern zu Hause in der Wanne.
    Im Untertauchen hast du dir vorgestellt, wie ich dort deinen Körper langsam in die Tiefe ziehe, in Zeitlupentempo, so dass der Film, der sich vor deinen Augen abspult, während du das Bewusstsein verlierst, ebenso lange dauert wie der Sommer einer Libelle im Angesicht ihres Todes. Wenn in diesen Wochen die ausgewachsenen Insekten von den Schlenken in die Gärten zurückkehren, geht ihr Leben zu Ende. Innerhalb weniger Monate sind sie geschlüpft, haben sich gepaart und ihre Eier abgelegt. Ihr kurzer Sommer vollzieht sich in der Einsamkeit der abgelegenen Tümpel, zum Sterben aber suchen sie die Nähe der Menschen. An den Hauswänden, die noch warm von der Sonne sind, versammeln sich die Beutefliegen und letzten Mücken. Die Libellen schlagen sich noch einmal, wie man sagt, den Bauch voll, dann kommt die erste kalte Nacht und rafft sie dahin. Doch weil sich in ihren Augen ein Bild in der Sekunde umein Vielfaches schneller aufbaut und sie deshalb einen Film wie verlangsamt wahrnehmen würden, zieht ihr Sommer im Moment des Todes noch einmal in Zeitlupe vorüber. In diesem Film hast du unten bei mir im Schlamm gelebt wie eine Larve, die alles noch vor sich hat: die dunkle Zeit im Wasser, die Häutungen, den Moment der

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