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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Äußerste erzürnt.«
    Jonathons Miene war nicht zu deuten, dann drehte er sich ohne Vorwarnung um und rauschte an Wynter vorbei in die Kammer ihres Vaters. Mit einem empörten Aufschrei eilte sie ihm hinterher: »Lasst mich ihn wenigstens vorbereiten, Eure Majestät!« Doch Jonathon war schon fort.
    Er blieb im Türrahmen stehen, so dass sie sich an ihm vorbeidrängen musste. Wynter hatte sich inzwischen so an Lorcans rasch fortschreitenden Verfall gewöhnt, dass die sichtbaren Spuren, die er hinterlassen hatte, sie nicht mehr aus der Fassung brachten. Jonathon jedoch verharrte regungslos und mit aufgerissenen Augen auf der Schwelle. Wynter stellte sich neben ihren Vater ans Bett und fragte sich, wie viel Lorcan wohl von ihrem Gespräch mitgehört hatte. Offenbar nicht viel. Er musterte Jonathon mit trüben Augen, die Miene ausdruckslos, den Kopf schwer auf dem Kissen ruhend. Niemand sagte etwas.
    Stirnrunzelnd ließ Jonathon den Blick über Lorcans Gesicht wandern – die weißen Lippen, die dunklen Ringe unter den Augen, die hohlen, bleichen Wangen. Unsicher trat er ans Bett seines Freundes. Lorcan ließ ihn nicht aus den Augen.
    »Deine Tochter sagt, ich hätte dich geweckt.«
    »Das macht nichts.« Lorcans Stimme klang erstaunlich kräftig, fast wie sein übliches selbstsicheres Krächzen, wach und aufmerksam.

    Augenscheinlich verblüffte und tröstete das den König, denn endlich betrachtete er seinen alten Freund eingehender. Er nickte und ließ sich behutsam auf der Bettkante nieder. »Sie sagte auch, dass Razi dir Ruhe verordnet habe.«
    »Er ist sehr beharrlich.«
    Eine kurze, drückende Stille entstand.
    »Hast du denn nicht mit Razi gesprochen?«, fragte Lorcan dann vorsichtig.
    Jonathon zog eine Grimasse. »Wir kreisen umeinander … in großem Abstand.« Er schüttelte den Kopf. »Leider stellt er meine Geduld auf eine harte Probe.« Mit einem Seitenblick auf seinen alten Freund ergänzte er finster: »Man erzählt sich Dinge …«
    »Lügen«, fiel Lorcan ihm ins Wort. »Bösartige Gerüchte und Verleumdungen.«
    »Dennoch …« Wieder schüttelte Jonathon sein blondes Haupt. »Dennoch.«
    »Er hat sich in löblicher Eile zurückgezogen.«
    »Dennoch«, wiederholte Jonathon noch einmal und starrte nachdenklich ins Feuer. »Es wäre so viel einfacher, den Hadraer einfach in den Kerker zu werfen. Man kann ihn schlecht unnatürlichen Verhaltens beschuldigen, wenn er in Ketten liegt …«
    Wynter spürte kalte Wut in sich aufsteigen, doch Lorcan seufzte nur und winkte ab. »Lass doch diesen nutzlosen Quälgeist einfach gehen, Jon. Schick ihn zurück in den Maghreb, schaff ihn aus dem Weg.«
    Misstrauisch beäugte Jonathon Lorcan, doch der zuckte nicht mit der Wimper. »Ich brauche ihn hier, das weißt du.« Kurz schielte er zu Wynter, dann wandte er sich wieder dem Feuer zu. »Er ist mein einziges Druckmittel.«
    Seufzend gab Lorcan auf. Während Jonathon in die Flammen
starrte, lag er friedlich in seinen Kissen. Wynter musste sich alle Mühe geben, Hass und Abscheu herunterzuschlucken, bevor sie noch etwas sagte, das sie auf ewig bereuen würde.
    »Wie geht es dir, Lorcan?«, fragte Jonathon nun, ohne den Blick vom Feuer abzuwenden.
    Wynter knirschte mit den Zähnen, und Lorcan gab keine Antwort. Sie wussten beide, dass Jonathon die Frage nicht aus Sorge um seine Gesundheit stellte. Da Lorcan weiterhin schwieg, drehte der König den Kopf. Er erschrak, als er Lorcans kalten grünen Augen begegnete, sah schuldbewusst rasch zur Seite, dann wieder zurück. Plötzlich schien ihm wieder einzufallen, dass er der König war; er straffte die Schultern und bedachte den Mann im Bett mit einem strengen Blick.
    »Wann wirst du wieder stark genug sein, um deine Pflicht zu erfüllen, Moorehawke?«
    »Das weiß nur Gott allein, Majestät.«
    Beide Stimmen waren gleichermaßen kalt, gleichermaßen unnachgiebig.
    »Ich brauche deine öffentliche Unterstützung, Protektor«, warnte Jonathon.
    »Dann solltest du mich vielleicht von deinen Soldaten in einer Sänfte und mit einem Schild um den Hals vorführen lassen, denn ich kann nicht mehr geben, als in mir steckt.«
    Einen Augenblick lang funkelten sie einander böse an, dann wurde Lorcans Miene etwas weicher. »Versteh doch, Jon. Ich bin erschöpft. Siehst du es denn nicht? Ich bin vollkommen erschöpft.« Er breitete die großen Hände bedauernd aus. »Gewähre mir etwas mehr Zeit.«
    Unter gesenkten Brauen musterte Jonathon ihn, dann wandte er das Gesicht Wynter zu.

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