Moorehawke 01 - Schattenpfade
Mädchen selbst warf einen raschen Seitenblick auf den jungen Mann. Er grinste sie an, und sie zog lächelnd den Kopf ein, die Wangen flammend rot, woraufhin die ganze Schar in Gegacker ausbrach. Es gab keinen Zweifel, wo die Magd gewesen war und was sie von der Arbeit abgehalten hatte.
Langsam setzte sich Wynter auf, ihre Abneigung verwandelte sich in sengende Wut, als der junge Schwerenöter den Mägden vielsagend zublinzelte und sich anstößig und derb auf die Zungenspitze biss.
Du wirst dich noch wundern, dachte sie böse. Möglich, dass du es anders gewohnt bist, aber in diesem Haushalt werden Frauen nicht wie Spielzeug behandelt.
Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, und sie wollte schon etwas zu Razi sagen, hielt aber inne, als der junge Kerl sie beide entdeckte, das Kinn zum Gruß reckte und auf sie zuspazierte.
Er hat die Robe erkannt, dachte Wynter, und will einen Rat einholen. Irgendjemand in der Truppe hat vielleicht Schmerzen oder Fieber. Na, dem werde ich schon einen guten Rat erteilen …
Sie machte sich innerlich bereit, ihm gehörig die Leviten zu lesen. Doch zu ihrem Erstaunen hob Razi mit belustigter Miene einen Finger, um den Gruß zu erwidern, und murmelte in sich hinein: »Also da bist du gewesen, du verwünschter Kater. Du wirst noch im Teerfass enden, wenn du nicht achtgibst.«
Ohne etwas von Razis Bemerkung zu ahnen, schlängelte sich der Fremde rasch durch das Küchengewühl, die Lippen zu einem schiefen Lächeln verzogen. Mein Gott! , dachte Wynter fassungslos. Der? Auf den hat Razi gewartet? Auf diesen Tunichtgut?
Ihr Unterkiefer klappte buchstäblich herunter, und sie musste sich ermahnen, ihn wieder zu schließen, als der junge Mann endlich bei ihnen ankam und sich ganz zwanglos an die Wand neben ihrem Tisch lehnte.
»Razi«, sagte er zur Begrüßung, er dehnte den Namen eigenartig anzüglich und spitzbübisch. Gleichzeitig musterte er Wynter mit unverhohlenem Interesse von Kopf bis Fuß. Diesen Blick kannte sie schon, hatte sich an ihn gewöhnt, seit ihr Körper zu Rundungen und weiblichen Formen erblüht war. Sie beantwortete ihn mit noch kälterer Geringschätzung als üblich.
»Christopher«, gab Razi mit ähnlich neckischer Betonung zurück. Wynter musste feststellen, dass er erheitert wirkte.
Christopher also, was? , dachte sie. Tja, Leuten wie dir bin ich
schon begegnet, Christopher. Sie wiederholte seinen Namen im Kopf, dehnte ihn, wie Razi es getan hatte, jedoch ohne die unverkennbare Zuneigung, die er dabei zum Ausdruck gebracht hatte. Wütend funkelte sie den Fremden an, ohne sich die geringste Mühe zu geben, ihre Empfindung zu verstecken. Leute wie dich kenne ich in- und auswendig.
Man sah sie unentwegt im Palasttreiben, solche Menschen, die sich festbissen . Menschen, die ausnutzten . Sie suchten sich jemanden, der dem Thron nahestand, und freundeten sich mit ihm an – normalerweise, indem sie sich zwischen ihn und jene drängten, denen er etwas bedeutete. Und dann schröpften sie ihn. Nicht, dass Razi ein Einfaltspinsel war. Aber Wynter hatte schon erlebt, dass Furcht, Einsamkeit und Not aus den klügsten Männern Narren machten. Ich behalte dich im Auge, dachte sie, als der Kerl die Lippen zu einem sehr zweideutigen Lächeln kräuselte. Mir machst du nichts vor .
Wynter öffnete den Mund, um eine scharfe Anspielung auf die Magd zu machen, doch Razi sprach bereits. Er sah den Fremden mit seinem trägen, breiten, großzügigen Lächeln an. Sein unbeschwerter Tonfall und das vergnügte Wohlwollen in seinem Gesicht lösten in Wynter erneut jähe und kindische Eifersucht aus, und sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um die albernen Tränen zurückzudrängen. Allmählich wurde ihr bewusst, dass sie doch ziemlich betrunken war.
Ruhig, immer mit der Ruhe, redete sie sich zu. Sie drückte den Rücken durch und atmete tief ein, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wer den Krug aus sich sprechen lässt, wird es bitter bereuen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, den Wein so schnell zu trinken, wo sie doch ohnehin so müde war? Sie zwang sich, dem Gespräch zu folgen, musste aber mühsam den Drang zügeln, aufzuspringen und diesen
Christopher mit Fußtritten die Küchentreppe hinaufzuscheuchen. Hör auf, Razi so anzusehen! , dachte sie. Er gehört dir nicht.
Razi sprach leise, den Kopf geneigt, um Christopher ins Gesicht sehen zu können. Der junge Mann hatte schrägstehende graue Augen, die Wimpern waren so dicht und schwarz, als wären sie mit Farbe
Weitere Kostenlose Bücher