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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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sagen sollten, doch keiner von ihnen schien die Worte über die Lippen zu bringen. Vielleicht morgen. Ja. Morgen könnte sie gewiss reden, und alles, was sie ihm sagen musste, würde einfach wie von selbst hervorsprudeln.
    »Morgen vielleicht«, sagte Lorcan ruhig an den Himmel gewandt. »Morgen habe ich vielleicht die Kraft für einen Spaziergang
im Orangenhain.« Seine Worte spiegelten Wynters eigenen Gedanken wider, und sie nickte stumm. Ihr Herz war zu voll, um etwas zu entgegnen.
    Der Himmel vor dem Fenster färbte sich violett, und Lorcan beobachtete, wie die Wolken dunkler, ihre Ränder trüber wurden, als die Sonne langsam unterging. Er schloss die Augen mit einem zarten Stirnrunzeln – vielleicht aus Schmerz, vielleicht wegen eines traurigen Gedankens. Dann wandte er Wynter den Kopf zu, schlug die grünen Augen auf, zögerte. Er wollte etwas sagen. Da plötzlich erstarrten sie beide, lauschten angestrengt und grinsten einander an, als sie ein leises Schaben an der Geheimtür vernahmen. Razi! Die Freude ließ sie strahlen.
    Lorcan hievte sich hoch, bis er aufrecht saß. Mit einem Nicken bedeutete er Wynter, die Tür öffnen zu gehen, dann strich er seine Decke glatt und fuhr sich in freudiger Erwartung mit den Fingern durchs Haar. Sie sprang vom Bett und rannte in den Nebenraum.
    Unsicher und gebückt stand Razi in dem dunklen Gang, als wüsste er nicht, ob er willkommen wäre. Unter dem Arm trug er einen Umschlag. Zaghaft lächelte er sie aus dem Schatten an.
    »Hallo, Wyn. Darf … darf ich eintreten?«
    Ihr Lächeln erstarb, als sie frische Schwellungen und Wunden auf seinem Gesicht entdeckte. Sie trat zu ihm in den Geheimgang und umarmte ihn. »Razi«, begrüßte sie ihn leise. »Wir haben uns um dich gesorgt.« Sie bemühte sich, ihn nicht zu fest zu drücken; dennoch keuchte er und löste sanft ihre Arme von seinem Rücken.
    Ihre Hand jedoch hielt er fest und küsste sie mit einer galanten kleinen Verbeugung. »Kein Grund zur Sorge. Ich bin unentbehrlich, schon vergessen?«

    Der Anblick von Razis Gesicht und seinem steifen, gebeugten Gang ernüchterte Lorcan sofort. Razi aber grinste ihn nur an und ließ sich schwerfällig und mit verzogenem Gesicht auf den Sessel neben dem Bett fallen.
    Er legte den Umschlag auf Lorcans Decke, ein scheues Lächeln umspielte seine Lippen. »Das habe ich Euch mitgebracht, mein Freund. Ich wusste, es würde Euch große Freude bereiten.« Die Augen erwartungsvoll leuchtend, stupste er den Umschlag mit dem Finger an. »Das ließ ich kopieren, als ich im Maghreb war. Es ist eine sehr, sehr gelungene Übersetzung, wenn ich das so sagen darf. Ich ließ auch eine Abschrift für Vaters Bibliothek machen, doch diese hier …« Er warf einen schüchternen Blick auf Lorcan. »Diese hier ist für Euch.«
    Lorcan strich mit der Hand über den schlichten Lederumschlag und blickte Wynter sichtlich erfreut an. Sie grinste und setzte sich gespannt zu seinen Füßen aufs Bett. Eilig löste Lorcan in freudiger Erwartung die Schleifen und entnahm dem Umschlag ein wunderschön gebundenes Buch. Seine Augen weiteten sich ehrfürchtig, und er stieß ein staunendes Seufzen aus, als er sich den Band aufs Knie legte und langsam die Seiten umblätterte. Der Titel lautete »Buch des Wissens von sinnreichen mechanischen Vorrichtungen«, und während sich Lorcan in die kunstvollen Zeichnungen vertiefte, deutete Razi auf diese und jene Illustration oder Beschreibung und gab leise Erklärungen.
    »Das Original ist etwa dreihundert Jahre alt und wurde von einem außergewöhnlichen Mann verfasst, Badi’ Al-Zaman Al-Dschazari. Ein Ingenieur und Erfinder …« Razi blickte zu Lorcan auf. »Genau wie Ihr.« Die beiden Männer lächelten einander an, und Lorcan wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Buch zu.

    »Unfassbar«, murmelte er. »Dreihundert Jahre?«
    »So ist es.«
    Alle drei beugten sie sich über die Seiten, und Wynter zeigte auf die wunderschöne Abbildung eines persischen Wasserrads. »Das erinnert mich an die Vorrichtung, die du für Shirken entworfen hast, Vater. Weißt du noch?«
    »O ja«, murmelte Lorcan geistesabwesend und blätterte um.
    »Vater hat für Shirkens Schloss eine fabelhafte Konstruktion erfunden, Razi. Sie versorgt jeden Raum mit Wasser, durch etwas, das Vater Pumpe nannte.«
    Razis Augen weiteten sich begeistert. Gerade wollte er etwas fragen, als Lorcan trocken und ohne von dem Buch aufzusehen bemerkte: »Ich habe sie nie vollendet gesehen. Jon rief mich nach Hause,

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