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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Hause. Er hatte sie an den sichersten Ort auf der ganzen Welt zurückgebracht – einen Ort, an dem ihr weder ihr Geschlecht noch ihre einfache Herkunft im Weg standen. Er hatte keine Angst vor dem Tod. Doch trotz allem, trotz der Gespräche, der Planungen, der ganzen Vorbereitung auf ein Leben ohne ihn wollte Wynter nicht, dass er fortging. Sie konnte sich nicht vorstellen, ohne seine grenzenlose Zärtlichkeit durchs Leben zu gehen.

    Razi erhob sich. »Und jetzt«, sagte er, »gestattet Christopher und mir, Euch zu baden und vor dem Bankett für ein paar Stunden ins Bett zu bringen.« Schon wollte Lorcan entrüstet Einwände erheben, da fiel ihm Razi ins Wort: »Lorcan! Im Augenblick könnt Ihr das nun mal nicht allein. Schluckt Euren Stolz herunter und lasst Euch helfen, nur dieses eine Mal. Ich werde Euch einen Trank geben, damit Ihr kurz, aber tief schlaft. Danach werdet Ihr Euch erfrischt fühlen, und wenn Ihr es schön ruhig angeht, werdet Ihr dieses verfluchte Fest ohne allzu großen Schaden überstehen.«
    Was blieb ihm schon übrig? Mit einem letzten kläglichen Blick auf Wynter ließ sich Lorcan von den beiden jungen Männern in seine Kammer führen und dabei helfen, den Schmutz der langen Reise abzuwaschen.
    Unterdessen saß Wynter allein in einem der runden Sessel, lauschte dem gedämpften Brummen der Männerstimmen und beobachtete das Spiel des Lichts an den Wänden, während der Abend hereinbrach. Als ihr Vater schließlich eingeschlafen war, verabschiedeten sich Razi und Christopher; Razi küsste sie und versprach, vor dem Bankett zurückzukommen.
    Im Garten unter dem Fenster wich der Geruch der Orangen dem Abendduft von Jelängerjelieber und Lilien. Drau ßen füllten sich die Gänge allmählich mit Geräuschen, da die Luft kühler und die Menschen wieder munter wurden oder vom Fluss heimkehrten, um sich für das große Ereignis umzukleiden.
    Wynter dachte an gar nichts. Es hatte ja doch alles keinen Zweck. Sie ließ die Zeit einfach durch sich hindurchfließen, und ihr war, als hätte sie ein Weilchen geschlafen, obwohl sie wusste, dass sie wach gewesen war.
    Razi hatte versprochen, sie rechtzeitig zu rufen, doch schon
lange, bevor er zurückkehrte, erhob sie sich aus ihrem Sessel und suchte in ihrer Schlafkammer nach etwas Passendem zum Anziehen. Sie besaß eine leichte Jacke und eine warme. Zwei Ausgehgarnituren, von denen eine immer noch als verdreckter Haufen auf dem Boden lag. Eine schwere Arbeitskluft, drei Paar lange Unterhosen, ein Paar baumwollene Strümpfe, zwei Schlüpfer und ein weiches Kleid aus feiner Wolle für zwanglose Abendgesellschaften. Aber kein einziges festliches Kleidungsstück, nichts, das man in Anwesenheit eines Königs tragen konnte.
    Razi hatte die Kampfertruhe ihrer Mutter in Wynters Kammer bringen lassen – und nun wusste sie auch, weshalb.
    Eines nach dem anderen hob sie die Kleider ihrer Mutter von ihrem Bett aus Lavendelpapier und den Säckchen mit getrockneten Rosen, Nelken und Orangenduftkugeln. Überrascht stellte sie fest, dass die Sachen gelüftet worden waren. Irgendjemand hatte sich über die Jahre die Mühe gemacht, sie regelmäßig auszuschütteln und ins Freie zu hängen. Marni vielleicht? Oder eine Magd, die ihre Mutter besonders gern gehabt hatte?
    Doch dann dämmerte ihr der wahre Grund, und innerlich ohrfeigte sich Wynter für ihre romantischen Vorstellungen. Niemand hatte sich aus Hingabe an ihre verstorbene Mutter um diese Kleider gekümmert, vielmehr hatten sie sehr wahrscheinlich bis vor kurzem der Kammerzofe einer Edlen Dame gehört. Das arme Mädchen – ihre Garderobe so plötzlich an die frühere Besitzerin zurückgeben zu müssen. Ich sollte wohl lieber auf Scheren in der Finsternis und Stecknadeln in meiner Suppe achtgeben, dachte sie, während sie die hübschen Gewänder nebeneinander aufs Bett legte.
    Hoffentlich hatte die letzte Trägerin sie nicht allzu stark geändert, denn ihrem Vater zufolge ähnelte sie ihrer Mutter
in Größe und Gestalt sehr. Falls sich niemand daran zu schaffen gemacht hatte, müssten ihr die Kleider passen.
    Mutter hatte einen guten Geschmack . Sie strich über den prächtigen Stoff eines der Kleider. Alle waren nach der alten Mode geschnitten: klare, kraftvolle Linien und glatte Röcke, die von einer Naht unterhalb der Brust gerade herabfielen. Lange, weite Ärmel mit andersfarbigem Futter und Borten. Zu jedem gehörte ein eng anliegendes, langärmeliges Seidenunterkleid. Wynter gefielen die Gewänder sehr; die

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