Moorehawke 01 - Schattenpfade
Bettkante sinken und bemühte sich, gleichmäßig zu atmen. Jonathon trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, murmelte dann etwas von Razi und ging.
Wynter schloss die Tür hinter ihm, um die neugierigen Blicke der Wachen auszusperren. Kurz lehnte sie sich mit geschlossenen Augen an das Holz, in ihrem Kopf drehte sich alles. Dann ging sie zu ihrem Vater.
Lorcan versuchte gerade, die Knöpfe an seinem Hemd zu öffnen, und scheiterte dabei kläglich. Wynter schob seine Hände beiseite, und einen Moment lang saß er sogar still, während sie vier oder fünf der winzigen Knochenplättchen aufknöpfte. Plötzlich schlug er ihre Hände weg und drückte sie mit flammend roten Wangen von sich fort.
»Vater!«, protestierte sie. »Sei nicht töricht!«
»Ich bin doch kein Krüppel!«, schimpfte er. »Und ich will dich nicht als Kindermädchen.«
»Sei vernünftig. Wer außer mir soll dir denn zur Hand gehen? Lass mich dir helfen.«
»Nein!« Er schubste sie fort und zerrte sich das Hemd einfach über den Kopf, zahllose Knöpfe platzten ab, schwirrten durch die Luft, sprangen über den Fußboden. Aufgebracht warf Wynter die Arme hoch. »Na prächtig! Ganz wunderbar!
Du bist ein störrischer alter Esel! Du könntest mal einen anständigen Tritt gebrauchen.«
Lorcan erwiderte nichts. Er ließ das Hemd zu Boden fallen und sank aufs Bett.
Ihm fehlte die Kraft, die Beine auf die Matratze zu heben, stellte Wynter mit jähem Mitleid fest. Also half sie ihm, und er drehte sich auf den Rücken.
Danach wollte sie ihm die Stiefel abstreifen, doch er zog die Beine weg.
»Jonathon kann das machen«, seufzte er, verlagerte sein Gewicht und biss die Zähne zusammen, als ihn erneut ein Schmerzensstich durchzuckte.
Einen Moment lang stand Wynter nutzlos herum und beobachtete ihn, dann schlich sie leise Richtung Tür.
Lorcans Atmung wurde plötzlich ganz tief und unnatürlich. Sie biss sich auf die Lippe und flüchtete in den Empfangsraum, um Razi entgegenzulaufen und ihn an den Haaren herbeizuzerren.
Doch er war bereits da, die Arzttasche in der Hand, seinen Vater auf den Fersen. Unter den wachsamen Blicken der Soldaten nickte Razi Wynter nur höflich zu, doch seine Augen blickten weich und beruhigend. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und führte sie zurück in ihre Gemächer. Als Letzter trat der König ein.
»Komm mit, Schwester«, sagte Razi, marschierte in Lorcans Kammer und schlug dem besorgten König die Tür vor der Nase zu.
Ohne zu zögern, zog Razi Lorcan die Stiefel aus und reichte sie Wynter, die sich in der Zimmerecke zu schaffen machte, während Razi ihren Vater von den restlichen Kleidern befreite und ihn untersuchte. Endlich hörte sie ihn die Bettdecke hochziehen und murmeln, sie könne sich wieder umdrehen.
Erstaunt stellte sie fest, dass Lorcan wach war; er lag auf der Seite und sah Razi mit schweren Augenlidern dabei zu, wie er in einem Becher eine Tinktur mit Wasser mischte. Auch Razi wirkte überrascht, als er sich hinunterbeugte, um einige Phiolen in seiner Tasche zu verstauen, und Lorcans grüne Augen offen und klar auf sich ruhen sah. Er kniete sich neben das Bett, das Gesicht auf einer Höhe mit dem ihres Vaters.
»So«, sagte er sanft. »Ihr habt Euch überhaupt nicht ausgeruht, oder?«
Lorcan lächelte nur, worauf Razi den Kopf schüttelte und dem großen Mann die Schulter tätschelte. »Ich habe Euch einen Schlaftrunk gemischt. Er ist viel stärker als der letzte und wird Euren Körper zwingen, sich die Ruhe zu nehmen, die er benötigt, und Ihr …«
»Nein.«
Bei Lorcans heftiger Antwort verzog Razi die Lippen und setzte sich auf die Fersen. »Lorcan …«, begann er streng.
»Nein, Herr! Ich kann Euren Trunk nicht einnehmen. Und Razi … es tut mir so leid …« In dieser schlichten Entschuldigung lag ein so tiefer Ernst, dass Razi erstarrte; seine Augen wurden riesig, als machte er sich auf das Schlimmste gefasst.
»Was denn, mein lieber Freund?«
»Heute Abend. Das Bankett. Ich muss teilnehmen …«
Razi sah aus, als hätte man ihm einen Schlag versetzt, und auch Wynter trat bestürzt aus der Zimmerecke. Sie wollte schon sagen: Das kannst du nicht! Dazu fehlt dir die Kraft!, da begriff sie erst die volle Bedeutung seiner Worte. Ihr Vater meinte, dass er seine Unterstützung – seine öffentliche Unterstützung – demonstrieren musste. Vor aller Augen wollte er sich zum König bekennen, und auch zu seiner furchtbaren Entscheidung, Razi auf den Thron zu setzen.
»Bitte!«
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