Moorehawke 02 - Geisterpfade
zu Christopher.
Er war den tiefen Hufabdrücken fort vom Lager bis hinunter ans Wasser gefolgt. Ohne Razis und Wynters prüfende Blicke zu bemerken, rief er nun über die Schulter: »Ich glaube, sie reiten Richtung Fähre. Wenn sie dem Fluss folgen, begegnen wir ihnen vielleicht doch noch.«
Wortlos deutete Wynter erneut auf die silberne Kugel, Razi jedoch schüttelte den Kopf und sagte leise: »Sag ihm nichts davon. Es könnte einfach nur ein Zügelglöckchen sein; wahrscheinlich ist es das auch. Aber sag ihm nichts davon. Nicht, bis ich mich vergewissert habe.«
»Warum?« Sie rannte ihm nach, als er die Pferde holen ging. »Razi?«
Inzwischen hatte Christopher die Spurensuche abgebrochen und kam auf sie zu, die Augenbrauen erwartungsvoll
hochgezogen. »Warum so geheimnisvoll?«, rief er. »Habt ihr etwas gefunden?«
Als Razi Wynter ihre Zügel in die Hand gab, beugte er sich unauffällig ganz dicht an ihr Ohr. »Ich befürchte, es könnte ein Sklavenglöckchen sein, Wyn.« Sie riss die Augen auf und warf Christopher einen besorgten Blick zu.
Der beäugte sie nun beide zweifelnd, während er sich der Lichtung näherte.
»Die Loup-Garous benutzen so etwas«, raunte er ihr zu. Absichtlich zog er sein Pferd zwischen sie beide und Christopher. »Sie legen sie den armen Geschöpfen an, die sie als … ihr persönliches Eigentum betrachten.« Nun stellte er einen Fuß in den Steigbügel. »Sag ihm auf keinen Fall etwas davon.« Geschmeidig erhob er sich in den Sattel, als Christopher in Hörweite kam. »Los, Christopher«, sagte er. »Lass uns nachsehen, wer diese Burschen sind. Kommst du mit?«
Christopher blickte Razi nach, der sein Pferd antrieb und den Weg nach unten einschlug. Dann sah er Wynter in die Augen. »Was war denn? Was hat er gefunden?«
Wynter blinzelte, wandte sich um, hüpfte ein paarmal mit einem Fuß im Steigbügel und stieg dann aufs Pferd. »Das hat er mir nicht gesagt.« Sie setzte sich in den Sattel. »Du weißt ja, wie er ist.«
Die Hand auf den Hals seines Pferdes gelegt, blieb Christopher einen Moment lang regungslos stehen und musterte Wynter. Ihr Herz zog sich zusammen; diesen Blick konnte sie nicht ertragen. Sie wollte nichts vor ihm verheimlichen. Aber vielleicht war es ja doch nur ein Zügelglöckchen. Bis sie ganz sicher waren, nützte es doch niemandem etwas, Christopher in Unruhe zu versetzen und möglicherweise unerwünschte Erinnerungen aufzuwühlen?
»Komm schon, Liebster«, sagte sie sanft. »Sonst wird er böse.«
Da blitzten Christophers Augen, und er legte den Kopf mit einem frechen Grinsen in den Nacken.
»Was denn?«, fragte sie überrascht.
»Ach, nichts.« Er schwang sich in den Sattel, immer noch mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, und ritt Razi hinterher.
»Wa-has?«, rief Wynter, verärgert über das zufriedene Funkeln in seinen Augen.
Doch Christopher winkte über die Schulter und fiel in einen raschen Trab, so dass sie sich beeilen musste, zu ihm aufzuschließen.
Atemlose Schwüle senkte sich herab, und erneut hörten sie Donnergrollen in weiter Ferne. Stunde um Stunde ritten sie und rasteten erst am späten Nachmittag, weshalb sie sich entschlossen, auch gleich etwas zu essen. Also sattelten sie ihre Pferde ab und ließen sich auf einem flachen Felsen am Fluss nieder.
Selbst so nah am Wasser war es noch unerträglich heiß, und sie waren träge und schweigsam. Wynter lag ein Stückchen weiter oben auf dem Felsen, tief im Schatten einer überhängenden Baumkrone, und kaute müde auf einem Stück Käse. Christopher ließ die bloßen Füße in den Fluss baumeln und sah in den Himmel.
Razi war wie üblich sehr still und hatte sich in der Sonne ausgestreckt; er knabberte an einem Apfel und grübelte vor sich hin. Wynter wusste, dass er sich Sorgen um diese kleine silberne Glocke machte, fand seine Furcht aber übertrieben. Die Loup-Garous würden niemals so unverfroren
durch Jonathons Königreich reiten, vor allem nicht mit Sklaven im Schlepptau. Sie wussten doch, was passieren würde, falls sie Jonathons Truppen in die Hände fielen. Nein, die Loup-Garous würden heimlich, still und leise am Rande des Geschehens herumschleichen, sich im Zwielicht halten und zügig ihren Weg fortsetzen, statt wie ein Haufen aufgerüschter Hofdamen auf einem Vergnügungsausflug durch den Wald zu trampeln und eine weithin sichtbare Spur zu hinterlassen.
Nur die Ruhe, Bruder , dachte sie. Das sind Pelzhändler aus den Nordländern, sonst nichts. Oder
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