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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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durch die Einfahrt auf ein paar einfache Gebäude zu, die wild verstreut mitten im Nirgendwo zu stehen schienen. Jedenfalls war drumherum nichts als Bäume und Felder zu sehen.
    »Wow, das gehört alles dir?«, stieß ich beeindruckt aus. Zeno antwortete nicht. Stattdessen manövrierte er den Bus über den staubigen Platz, bis er vor einem Holzschuppen zum Stehen kam. Er stellte den Motor aus, ehe er sich zu mir wandte.
    »Willkommen in ›Haven of Liberty‹, oder ›Oase‹, wie wir das hier einfach nennen«, sagte er feierlich und machte eine theatralische Verbeugung. Er ähnelte einem Zirkusdirektor, der die Hauptattraktion ankündigte. Unsinnigerweise begann mein Herz zu klopfen. Ich stand vor einer wichtigen Prüfung, denn ich wollte vor Zeno bestehen. Und auch vor den Augen seiner WG oder Kommune, oder wie immer man die Ansammlung von Jungs und Mädchen nennen mochte, die nun nacheinander aus den verschiedenen Gebäuden strömten, als sie den Motor von Zenos Röhrmobil hörten.
    Ich schätzte, es waren etwa zwanzig Leute, die mir neugierig entgegenblickten, während ich die Beifahrertür öffnete und etwas steif herauskletterte. Ich war gehemmt und verlegen, doch ehe ich noch einzelne Gesichter unterscheiden konnte, kam eine zierliche Dunkelhaarige auf mich zu und umarmte mich ohne Umstände. »Schön, dass du gekommen bist. Du warst doch gestern im Park, stimmt’s? Ich bin Aryana.«
    Ich nickte und lächelte das Mädchen an, erleichtert, weil sie mir das Ankommen so einfach machte. Sie zog mich auch sofort mit und stellte mich den anderen vor, deren Namen wie ein Schwarm Bienen in meinem Kopf summten: Urs, Juli, Lukas, Kali, Irina, Bidu … Alle lächelten mich offen an und fanden ein paar freundliche Worte. Es herrschte eine lockere, relaxte Stimmung. Jetzt entdeckte ich auch Mias blonde Krisselhaare in der Menge. Sie winkte mir kurz zu und ich entspannte mich zusehends. Wovor hatte ich Schiss gehabt? Juli drückte mir ganz selbstverständlich ein Messer und eine Schüssel voll Tomaten in die Hand, und bat mich, diese für einen Salat zu schneiden, während sie sich ans Gurkenschälen machte. Und nachdem ich für Aryana, an deren Handgelenken unzählige Silberreifen klingelten, noch den Tipp hatte, die Tomate-Mozzarella-Kombination mit etwas von ihrem hauseigenen Basilikumpesto zu toppen, war der Bann endgültig gebrochen. Ich scherzte und lachte mit den Leuten der Oase, und es war, als würden wir uns schon ewig kennen. Zeno, der überall gleichzeitig zu sein schien, warf immer wieder einen Blick zu mir herüber oder schickte mir ein Lächeln über die Köpfe der anderen hinweg. Und ich war stolz. Weil ich dachte, ich hätte vor Zeno bestanden. Seine WG mochte mich – war dies nicht ein Zeichen, dass ich es wert war, von ihm beachtet und gemocht zu werden? Wenn ich damals gewusst hätte, dass in diesem Moment die Falle schon kurz vorm Zuschnappen war, ich hätte die Beine in die Hand genommen und wäre weggerannt, ohne nur einmal zurückzublicken. So aber schnitt ich Tomaten und war ahnungslos.

Kapitel 4
    Als sich die dunkelblaue Glasglocke einer heraufziehenden Nacht über die Ebene des Spreewalds stülpte und das letzte Licht des Abends die Felder flaschengrün und das Wasser der kleinen Kanäle schwarz färbte, entzündeten die Bewohner der Oase ein riesiges Feuer auf dem freien Platz, der von den Gebäuden eingerahmt wurde. Davor hatten wir Gemüseeintopf, Salat und selbst gebackenes Brot gegessen. Mia hatte mir das Schmuckatelier und die Töpferwerkstatt gezeigt. Ich wusste nun, wo das Gewächshaus stand und welcher der Bewohner einen grünen Daumen hatte. Inzwischen konnte ich bereits die meisten Namen zuordnen. Während die Flammen gierig am trockenen Holz leckten und bei jedem Knacken der Äste Funken aufflogen, ließen Lukas mit den Rastalocken, der hochgewachsene Bidu und Juli mit den vielen Piercings die Hände auf ihren Bongotrommeln tanzen wie vor zwei Tagen im Park. Doch Berlin erschien mir Lichtjahre entfernt. Die Hochhäuser, unsere Wohnung, der Stress mit meinem Vater, ja, sogar die Trauer um meine Mutter waren in der Großstadt zurückgeblieben. Und obwohl ich fühlte, dass vor allem die Trauer um meine Mutter, dieses dumpfe, geduldige Raubtier, irgendwo auf mich wartete, um mich bei nächstbester Gelegenheit unvermittelt anzuspringen, ließ ich mich in diesem Augenblick einfach in das Gefühl der Freiheit und Gelöstheit fallen. Der Rhythmus der Trommeln übertönte alle Gedanken und

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